Mittwoch, 30. Januar 2013

Maxime Chattam, Alterra. Der Herr des Nebels

Vorgeschichte
Ein unglaublicher Sturm verursacht nicht nur in New York, der Heimatstadt von Matt und Tobias, ein unglaubliches Chaos. Er hat anscheinend die ganze Welt umgekrempelt. Es gibt sonderbare und gefährliche Kreaturen, neuartige Pflanzen und die Erwachsenen haben sich zu Monstern entwickelt, die auf der Jagd nach Kindern sind. In drei Büchern entwickelte Chattam eine fantasievolle Welt, in der die Natur zurückschlägt und die Kinder anscheinend vernünftiger sind als die Erwachsenen. Gemeinsam müssen sich die jungen Erdbewohner gegen ihre ehemaligen Vormünder stellen und sogar einen Krieg führen, den sie letztendlich auch gewinnen. Einen großen Anteil daran hatten die Freunde Tobias, Ambre und Matt, die sich in den Büchern zur Gemeinschaft der Drei entwickelt haben.
Das neueste Werk aus der Feder von Maxime Chattam setzt die Geschichte nun fort und bildet den Anfang eines neuen Erzählzykluses. Die Pans, wie sich die Kinder nennen, und die Erwachsenen haben einen Friedensvertrag geschlossen und sind nun erst einmal damit beschäftigt ihre Gemeinschaft zu versorgen und neue Projekte, die das Überleben sichern sollen, zu entwickeln. Doch plötzlich erreichen sie so besorgniserregende Nachrichten aus dem Norden und seltsame Gestalten tauchen auf. Eine Erkundungsexpedition in die noch nicht erforschten Gebiete erscheint unausweichlich. So begeben sich die drei Freunde wieder auf eine abenteuerliche Reise voller Gefahren, unerwarteter Begegnungen und erstaunlicher Erkenntnisse.
In gewohnt rasanter Weise und mit einer frischen Sprache erzählt der Autor die neue Geschichte. Man taucht sofort in die fantastische Welt ein und wird von dem Handlungssog mitgerissen. Erfahrene Alterra-Leser können sich augenscheinlich schneller in diese Welt einfinden. Aber auch Neulinge werden sehr gut an die wichtigsten Punkte herangeführt. Chattam schafft es alle relevanten Informationen ganz nebenbei einfließen zu lassen. Vorteilhaft ist hier seine sehr klare Sprache, die auf recht kurzen Sätzen und gut konstruierten Dialogen basiert. Die Gedankenwelt der Protagonisten wird nachvollziehbar beschrieben und die Gefühle werden in einer sehr angenehmen Art und Weise beschrieben. Man füllt sich den Figuren gegenüber nicht zu distanziert, hat aber auch nicht den Eindruck zu stark in ihre Welt einzudringen. Der Leser fühlt einfach mit ihnen mit und begleitet sie auf ihrer rasanten Weise. Erstaunlich ist hierbei, dass die Spannung in dem ganzen Buch nicht einmal komplett abreißt. Ein bisschen fühlt man sich gehetzt. Allerdings im positiven Sinne.

Im Gegensatz zu den anderen drei Teilen gibt es allerdings kleine negative Anmerkungen. Zunächst ist es rein optisch etwas schade, dass das Buch sofort als Taschenbuch erscheint. Vergleicht man die vorangegangenen Bände, die in der ersten Auflage bei PAN erschienen sind, ist man schon etwas enttäuscht. Zudem hatte ich den Eindruck, dass „Der Herr des Nebels“ zu stark verdichtet ist. Gerade die ausführlichen und trotzdem spannenden Beschreibungen haben mir immer so gut gefallen. Diesmal hatte ich hingegen das Gefühl, dass der Autor viel mehr erzählen wollte und auch könnte, aber eine Seitenzahlbeschränkung erhalten hat. Eine letzte negative Entwicklung ist aus meiner Sicht der Cliffhanger. Die ersten drei Teile waren in sich geschlossene Geschichten, obwohl sie zusammen wieder eine große Geschichte ergaben. Man konnte also alle Bücher unabhängig voneinander lesen. Nun wird der Leser mit einem eher offenen Ende zurückgelassen und wird indirekt gezwungen, den nächsten teil zu kaufen,

Trotz der Kritikpunkte hat mir das Lesen sehr viel Spaß bereitet und ich finde, dass es sich bei „Der Herr des Nebels“ um ein spannendes und empfehlenswertes Buch handelt, das wunderbar für abenteuerliche Leser ab 12 geeignet ist.

Taschenbuch, 
Knaur TB
02.11.2012
400 S.
ISBN 978-3-426-51272-2

10,00







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Sonntag, 27. Januar 2013

Olaf Hajek, Little Gurus. Ein Yoga-Entdeckungsbuch

Wie wird wohl ein 5-jähriges Kind, dass im Betrachten von Wimmelbüchern mehr als geübt ist und manchmal ein bisschen Entspannung gebrauchen könnte, mit einem Yoga-Bilderbuch umgehen? Dies war eigentlich mein Hauptgedanke als ich mich entschieden habe das Yoga-Entdeckungsbuch gemeinsam mit meinem Sohn zu erkunden. Bei der ersten Betrachtung fiel mir natürlich sofort auf, dass es keinen Text gibt. Da ich völlig frei von jeglicher Yogakenntnis bin, fühlte ich mich zu Beginn etwas hilflos und sah meinen Sohn schon vor Langeweile weglaufen. Daher bat ich eine Bloggerfreundin, die Yogini ist, sich das Buch einmal anzuschauen und mir ihren Eindruck zu schildern.
Hier ist die Antwort von Anina Luzie Schmid:

"Finde die Illustrationen sehr schön und ansprechend, allerdings habe ich gerade kein Kind zur Hand, welches mir sagen könnte, ob das "offene" Konzept des Buches aufgeht. Ein paar Worte bzw. eine Geschichte zu den jeweiligen Bildern hätte ich schon gut gefunden... allein für die Erwachsenen, die vielleicht nicht so viel mit Yoga zu tun haben, und sich auch fragen, was da eigentlich jeweils gerade los ist. Aber vielleicht ist dieser neue Ansatz ohne viel Blabla für Kinder genau richtig? Könnte mir das Buch für eine Kindergruppe (Kindergarten, Kindergeburtstag, ...) ganz gut vorstellen, oder für sehr ambitionierte Einzelkinder, die auch alleine üben wollen."

Der erste Eindruck war also auch bei ihr ähnlich. 
Daher hat mich die Reaktion des kleinen Bücherfreundes sehr überrascht.
Mein Sohn hat mit Freude die bunten Bilder erforscht und ich habe ihm dabei ansatzweise erklärt, was Yoga eigentlich ist. Und was ist passiert? Plötzlich legte er sich eine Decke hin und versuchte die Bewegungen der Figuren nachzuahmen. Irgendwann war es ihm dann doch zu anstrengend, aber er war sehr begeistert und hat sogar in der Kita davon erzählt. 

Somit scheint das offene Konzept zumindest bei Kindern, die noch keine Berührung mit dem Thema Yoga hatten, aufzugehen und Interesse zu wecken. Daher kann ich mir auch vorstellen, dass geübte Kinder noch begeisterter sind, weil sie bekannte Elemente wiedererkennen und so auch ohne einen Erwachsenen immer wieder üben können.

Fazit: Für uns ist das Buch ein erster toller Kontakt gewesen, der uns sicher noch lange beschäftigt und dafür gesorgt hat, dass wir uns zukünftig vielleicht stärker mit dem Thema beschäftigen werden.


ISBN: 978-3-85581-529-6
€ 14,95

Mittwoch, 23. Januar 2013

Filmtipp Frankenweenie

Victor Frankenstein ist ein kluger aber eher in sich gekehrter Junge, der einen mit jeder Faser an den jungen Tim Burton erinnert. Ein leicht verrückter Lehrer erweckt durch sehr faszinierende Methoden sein Interesse an der Wissenschaft. Und in einem sehr traurigen Moment, kurz nach dem Tod seines geliebten Hundes Sparky, ist die Wissenschaft für Victor nicht nur Trost, sondern auch Rettung. Er erweckt seinen besten Freund wieder zum Leben. Er hat allerdings nicht damit gerechnet, dass jemand sein Geheimnis kennt und die Erkenntnisse für ganz andere Zwecke nutzen will.

Die alte  Idee
Mit Anfang Zwanzig arbeitete Tim Burton bereits bei Disney und mühte sich ein wenig mit den niedlichen Fuchszeichnungen ab, die man von ihm verlangte. Dieser putzige Gesichtsausdruck der kleinen Tierchen lag ihm, der schon als Schüler immer viel zeichnete und ein eher ruhiger Teenager war, ganz und gar nicht. 1982 erhielt er durch die Unterstützungen mehrerer Kollegen die Möglichkeit einen kleinen Film zu erstellen, der auf einem Kinderbuch basierte, das Burton selbst geschrieben hatte. Offiziell sollte der Kurzfilm als Stop-Motion-Test genutzt werden und die Menschen bei Disney wussten auch nicht recht, was sie mit dem 25-minütigen Ergebnis „Vincent“ anfangen sollten und verbannten ihn, trotz durchweg positiver Kritik und zwei gewonnener Preise, schnell ins Archiv. In dem Kurzfilm erkennt man schon Figurentypen und Charakterzüge, die heut in fast allen Burton-Filmen zu erkennen sind. Diese Aspekte griff er zwei Jahre später erneut auf und produzierte den Film „Frankenweenie“, der in jeder Minute als Hommage an die Horror- und Fantasyklassiker erkennbar ist. Aus Geldmangel wurde aus dem großen gezeichneten Projekt ein Kurzfilm mit echten Schauspielern.  Nachdem der Film allerdings keine uneingeschränkte Altersfreigabe erhielt, konnte Disney ihn nicht im Vorprogramm ihrer eigentlichen Zeichentrickfilme zeigen und verbahnte ihn ebenfalls ins Archiv. Dieser Film, seine Grundzüge und der Gedanke, dass man daraus einen abendfüllenden Film machen könnte, ließen Tim Burton nicht mehr los. 

Die Umsetzung
In den letzten zwei Jahren arbeitet Tim Burton an seinem dritten Film, der mit Stop- Motion-Technik animiert wurde. Diese sehr klassische Methode und die daraus entstehenden Bilder werden durch das Drehen in Schwarz-Weiß und die Umrechnung in 3-D noch verstärkt.
33 Animatoren beschäftigten sich in den letzten zwei Jahren mit mehr als zweihundert Puppen, die 24-mal bewegt werden müssen, um eine Sekunde Film zu erzeugen. Die Puppen werden in einem komplexen Verfahren erstellt und orientieren sich in der Größe an der Hauptperson des Films, dem Hund Sparky. Zudem mussten für jede Figur mehrere Kostüme und Perücken (aus Echthaar) erstellt werden. Damit die Figuren sich in einer geeigneten Umgebung bewegen können, muss auch diese erstellt werden. Im Gegensatz zum normalen Film kann man nicht nach bestimmten Orten recherchieren und diese als Kulisse benutzen. Das recherchierte Umfeld muss in eine Tischplatten-Kulisse umgearbeitet werden. Der Produktionsdesigner Rick Heinrichs hat dies sehr gekonnt umgesetzt und eine Fantasievorstadt erschaffen, die an Kleinstädte der 70er Jahre erinnert, aber ebenso einen sehr gruseligen und morbiden Charakter aufweist. Der ausführende Produzent Don Hahn hat das mit den folgenden Worten zusammengefasst: 1970er-Jahre-Fantasievorstadt- eine Art ‚Transsylvanien meets Burbank‘“. Dabei darf natürlich ein Tierfriedhof nicht fehlen. Insgesamt wuren für den Film etwa 200 Sets gebaut.
Eingeschränkt waren die Designer allerdings in der Farbwahl. Fankenweenie ist der erst Animationsfilm, der in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Wobei natürlich nicht unbeachtet bleiben darf, dass es hunderte von Grauschattierungen gibt. Rick Heinrichs hat es aus meiner Sicht die daraus entstehenden Chancen sehr gut beschrieben: „Wenn man sich als Designer bei der Wahl der Werkzeuge etwas einschränkt und dafür mehr aus den vorhandenen Mitteln macht, erhält man oft einen besseren Fokus. In diesem Fall konzentrierten wir uns auf die Formen, das Licht und die Schatten, Silhouetten und Oberflächenstrukturen.“
Dieser Fokus wird durch die 3D-Technik positiv verstärkt. Die Bilder wirken extrem klar und man hat häufig den Eindruck, selbst am Set zu stehen. Dabei unterscheidet sich das Gefühl aber von denen, die man beim Anschauen der gängigen 3D-Filme hat. Man fühlt sich nicht ständig so, als ob man nach den Figuren greifen will. Man möchte eher noch genauer hinschauen, die Textur besser erfassen und noch mehr mimische Variationen wahrnehmen.

Eigene Meinung
Ich gebe zu, dass ich vielleicht ein wenig voreingenommen bin, weil ich den morbiden Charme der Burton-Filme sehr mag. Allerdings habe ich bisher nur die sehr bekannten Spielfilme gesehen. Die Stop-Motion-Filme kannte ich nur aus Erzählungen. Aber diese Technik hatte mich schon nach wenigen Sekunden für sich gewonnen. Sehr schnell hatte ich das Gefühl, dass die Puppen die Gefühle, welche Burton transportieren möchte, noch stärker ausdrücken können als Schauspieler. Dies mag vielleicht paradox klingen, aber dadurch, dass die Figuren nicht etwas „spielen“ fühlt sich alles viel echter an. Unterstützt wird dies natürlich durch die Grautöne und die 3D-Umrechnung. Zudem ist die Geschichte in ihrer Grundanlage, obwohl sie sich natürlich an den Klassikern des Horror- und Fantasygenres orientiert, einfach genial. Die Bezüge zu bekannten Werken lassen einen immer wieder schmunzeln. Mehrfach hatte ich sogar den Drang einfach ein „Genial!“ herauszubrüllen. Dabei wird natürlich klar, dass es sich in erster Linie nicht um einen Film für Kinder handelt. Auch wenn viele Elemente aus meiner Sicht auch für kleinere Kinogänger verständlich sind. Richtig viel Spaß macht Frankenweenie aber erst, wenn man sich filmisch ein wenig auskennt. Und wer sich ein wenig mit Tim Burton beschäftigt hat, erkennt auch hier wieder eine Parallele zu seiner eigenen Person. Er ist in Bezug auf Horror- und Trashfilme ein wandelndes Lexikon. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er für Frankenweenie nicht umfangreich recherchiert hat. Die Geschichte lag ihm am Herzen und er wollte diesen lang gehegten Wunsch nach einem längeren Film endlich umsetzen. Das merkt man, ohne dass er stilistische ins Sentimentale abrutscht. Er hat anscheinend über Jahre Energie und Ideen gesammelt, die jetzt strukturiert und in einer wunderbaren Umsetzung für uns ins Kino kommen.

Fazit
Eine absolute Empfehlung für jeden Kinogänger, der künstlerisch anspruchsvolle und gleichzeitig unterhaltende Filme mag.

Hinweise: Das zweite Video ist eine Zusammenstellung von "Vincent" und der "alten" Frankenweeni-Version.
Und wer bei Facebook unterwegs ist, kann mit einer kleinen App sein Haustier frankenweenifizeren!!!!  (hier klicken)



Donnerstag, 17. Januar 2013

Duddle, Bitskoff & Hamilton, Das Monsterbuch der Monster

Monster gibt es tatsächlich! Da sie mitten unter uns leben, sollten wir uns ausreichend informieren. Dr. Thomas Wackelpudding hat genau aus diesem Grund viele Informationen über sie gesammelt und in seinem Notizbuch festgehalten. In neun Kapiteln berichtet er über das Erkennen von Monstern, Aufenthaltsorte der Monster in Menschenhäusern, Aufbau der Monsterkörper und ihre Eigenarten, Monsterrekorde, Fluchtmöglichkeiten, Verteidigungsmethoden, Fangmethoden, Monsterbeseitigung und Legenden.
Rezensiert für buecherkinder.de
Die Autoren und Illustratoren nutzen für jedes Thema zwei Seiten eines Ringbuches und transportieren mit Hilfe vieler bunter Abbildungen, die in einem sehr modernen und lustigen Stil gezeichnet sind, eine Fülle von Informationen über Monster. Zudem gibt es eine Menge Klappen, hinter denen sich große Monster und kleine Geheimnisse verbergen. Um den gruseligen Effekt zu unterstützen, sind einige Seitenränder mit Monsterbissen versehen oder wirken so, als ob sie mit Feuer in Berührung gekommen wären.

Es ist sehr faszinierend, was man alles hinter den Klappen entdecken kann und die umfangreichen Informationen sind in einem angenehmen und humorvollen Stil verfasst. So erfährt man viele nützliche Dinge über Monster, kommt aber auch um eher eklige Details nicht herum.
Die optische und sprachliche Vielfalt führt aber auch dazu, dass man sich manchmal sträubt wirklich alles zu lesen. Je nach Stimmungslage und Müdigkeit sollte man also vielleicht einige Klappen geschlossen lassen oder nur einen Abschnitt lesen.
Aber selbst dann hat man mit dem Buch noch jede Menge Lese- und Betrachtungsspaß.

O-Ton des Testlesers (fast 6): Besonders gut gefallen mir die ganz großen Klappen mit den riesigen Monstern. Manchmal sind die Beschreibungen aber auch ganz schön gruselig.

20 Seiten
durchgehend farbig illustriert
278 x 240 mm, gebunden,
mit Pop-ups & Klappen
Ab 6 Jahren


978-3-8310-2151-2
€14,95 [D] 15,40 [A]


Link zur Verlagsseite 

Sonntag, 13. Januar 2013

Elk von Lyck, Die Auswerterin

Inhalt 
Selbst wenn man sich „nur“ in der Schule mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigt hat und anschließend eventuell noch ein wenig selbständig weiterdenkt, gelangt man irgendwann zu der Frage, ob die Alliierten von den Konzentrationslagern gewusst haben. Teilweise wird dieses Thema heutzutage auch schon direkt angesprochen. Viele umschiffen allerdings diese Klippe, weil sie mit ja beantwortet werden muss und unweigerlich die Frage darauf folgt, warum sie dann nicht eingegriffen haben. 

Diese Frage hat auch den Autor Elk von Lyck beschäftigt und er thematisiert diese nun in seinem Buch "Die Auswerterin".
Ähnlich wie Hochhuth in seinem Stellvertreter lässt er eine Hauptfigur Fragen stellen, die aus ihrem Innersten herauskommen und mit den oben genannten Gedanken korrespondieren. Wie Riccardo Fontana bei Hochhuth, kann auch Lycks Protagonistin Emily Brown die Augen nicht länger verschließen und entscheidet sich daher zu handeln. 

Als Auswerterin von Luftbildern hat sie viel Leid gesehen, dass aus ihrer Sicht häufig Unrecht darstellt. Eines Tages entdeckt sie auf einigen Bildern einen größeren Gebäudekomplex, der als Auschwitz identifiziert wird. Das Gesicht eines Jungen, der das Aufklärungsflugzeug wohl für einen Retter hielt, lässt sie nicht mehr los und regt sie zu weiteren Nachforschungen an. Die Erkenntnis, dass in dem Lager Menschen in hoher Zahl umgebracht werden schockiert sie. Natürlich leitete sie diese Information, die sie für eine Neuigkeit hält, an ihren Vorgesetzen weiter. Kurze Zeit später stellt sie aber fest, dass von der britischen Seite nichts gegen die Vernichtung unternommen wird. Daher sieht sie nur noch einen Ausweg: Arthur Harris, der Chef des britischen Bomberkommandos, muss den Befehl zur Zerstörung des Lagers oder zumindest der Zufahrtswege geben. Dies kann sie, die eigentlich jede Form von Gewalt ablehnt, nur mit Waffengewalt erreichen. 

Struktur des Textes, Sprache und Stil 
Von Lyck beginnt seine Erzählung mit dem Tag, an dem Emily ihren Plan in die Tat umsetzt. Nur langsam erfolgt für den Leser eine Erklärung für ihre Handlungen. Dies geschieht zunächst über drei Handlungsstränge, die sich alle in irgendeiner Weise im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz überschneiden. Emilys Geschichte bildet hierbei natürlich den Hauptstrang, der auf der einen Seite von den Erzählungen eines Piloten flankiert wird. Dieser ist als Aufklärer tätig und soll eine Fabrik genauer unter die Lupe nehmen. Dabei überfliegt er Auschwitz, welches seine Neugier weckt. Entgegen aller Befehlen überfliegt er das Lager in einer geringen Höhe und macht diverse Bilder, die später von Emily ausgewertet werden müssen. Dabei entdeckt sie auf einer Aufnahme den oben genannten Jungen. Die Geschichte seiner Deportation bildet den dritten Erzählstrang. 

Nachdem die beiden Nebenerzählungen beendet sind und Emily Harris bereits in ihrer Gewalt hat, entspinnt sich ein Gespräch zwischen den beiden. Dies bildet den wichtigsten Teil des Buches, da beide Figuren immer wieder Rückblenden wiedergeben, ihre eigenen Motive erläutern, aber auch in ein Streitgespräch treten, welches viele moralische Aspekte anspricht und das diskutieren von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen mit sich bringt. 

Diese thematische Komplexität wird in einer sehr verständlichen Sprache vermittelt, welche schnell einen angenehmen Lesefluss erzeugt. Begriffe, die aus dem militärischen Bereich stammen, werden zudem umfangreich erläutert und lassen eigentlich keine Fragen zurück. 

Ein häufiges Eintauchen in die Gedankenwelt der Protagonistin führt sogar an einigen Stellen zu einer engen Bindung zwischen dem Leser und der Figur. Man glaubt sie genau zu kennen, und es stellt sich das Gefühl ein, dass man mit ihr verschmilzt und selbst Arthur Harris gegenübersteht. In solchen Momenten wirkt die Informationsflut, die sich über dem Leser ergießt, eher kontraproduktiv. Es steht völlig außer Frage, dass sich der Autor umfangreich mit dem Thema befasst hat. Aber als Leser hat man teilweise den Eindruck, dass er unbedingt alles, was er im Vorfeld durch Recherchen erfahren hat, unbedingt unterbringen möchte. Die Art und Weise wirkt zunächst sehr hölzern, verändert sich aber innerhalb des Werkes positiv. Die Informationsfülle bleibt allerdings bestehen. Und gerade in den Dialogen, in denen Emily und Harris mit Zahlen und Ereignissen um sich werfen, kann dies zu einer Ermüdung des Lesers führen. Nimmt man jedoch etwas Abstand und betrachtet besonders diese Unterhaltung aus einer Art Metaperspektive, erkennt man Bewegungen, die an einen kleinen Tanz erinnern. Harris und Emily wirken wie zwei Teilchen, die trotz einer gewissen Entfernung aufeinander zugehen, sich wieder abstoßen und Eigenbewegungen vollführen. Dieser Reigen wiederholt sich mehrfach auf unterschiedlichen Ebenen. Dabei bleibt Emily stets die Hüterin der Moral, die alles infrage stellt und Veränderungen herbeiführen will. Arthur Harris ist hingegen die Verkörperung von Arroganz und Macht, der Fehler nicht eingestehen will und nur den eigenen Weg als richtig ansieht. Irgendwann trennen sich diese beiden Menschen und der Leser wird recht aufgewühlt und mit einer Menge fremder Gedanken zurückgelassen, die zu einem Überdenken des eigenen Handelns führen. 

Gesamteindruck 
Obwohl ich während des Geschichtsstudiums viele der im Buch vorliegenden Fakten kennengelernt habe, hat es mich erneut zum Nachdenken gebracht. Auch weil ich mich mit der Kernaussage, dass eigentlich kein Mensch von Grund auf böse sei, in anderen Bereichen schon länger beschäftige und eine begründete Übertragung der Theorie auf Personen und Ereignisse der nationalsozialistischen Zeit spannend finde. Dieser Übertrag und das hier vorliegende Ergebnis mögen einigen Menschen gewagt erscheinen. Eine Auseinandersetzung mit ihnen ist aber spannend und sinnvoll. Mit jeder gelesenen Seite spürt man, dass der Autor etwas verändern will und uns nicht nur literarisches Vergnügen bereiten möchte. Er möchte zu einem Umdenken bewegen. Dies im Zusammenhang mit der Informationsfülle führt aber zu einem Anspruch, der aus meiner Sicht eine sehr wichtige Kritik ertragen muss. Der historische Hintergrund wird an vielen Stellen angesprochen und es werden Zahlen, Orte und Personen genannt. Der Autor nennt aber keinen einzigen Beleg! Im Nachwort wird zwar erwähnt, dass man relativ schnell im Internet themenbezogene Informationen findet. Das reicht mir persönlich aber nicht aus. Ich denke, dass das Buch schon durch seine inhaltliche Anlage zwingend durch ein Literatur- und Quellenverzeichnis ergänzt werden muss. Ansonsten wirken viele angesprochene Punkte eher hüllenlos und zweifelhaft. Dies in einer Neuauflage zu ergänzen dürfte aber kein Problem sein.

Davon abgesehen handelte sich aber insgesamt um eine gut konstruierte Geschichte, die spannend ist und viele interessierte Leser verdient hat, die zum Nachdenken, Weiterforschen und Handeln anregt werden.

Wichtiger Hinweis: Demnächst wird es ein Thetaerstück geben, dass auf demselben Stoff basiert.



Books on Demand
ISBN 978-3-8448-1614-3
Paperback
132 Seiten
€ 9,90

Dienstag, 8. Januar 2013

Walker-Guye & Briswalter, Schneehäschens Weihnachtsüberrraschung

Weihnachten ist zwar schon vorbei, aber das bedeutet ja nicht, dass man nicht noch Weihnachtsgeschichten lesen darf ;-)

Der Weihnachtsabend ist gekommen und der Dachs, das Schneehäschen, der Waschbär und der Bär möchten das schönste Fest des Jahres gemeinsam verbringen. Das Schneehäschen hat sich sogar eine Überraschung einfallen lassen. Als alle im Dachsbau eingetroffen sind geht es zur Tür und holt seine Überraschung herein. Es ist der kleine Fuchs, den das Schneehäschen als Überraschungsgast eingeladen hat. Die restlichen Tiere sind jedoch alles andere als erfreut und zeigen das auch. Daraufhin verschwindet der Fuchs fluchtartig in den Wald und das Schneehäschen versteht die Welt nicht mehr.
Rezensiert für www.buecherkinder.de

Nancy Walker-Guye erklärt mit ihrer Geschichte schon kleinen Kindern, wie Vorurteile und unüberlegte Handlungen andere verletzen können. Es geht aber auch darum zu erkennen, dass man sich selbst damit keinen Gefallen tut, sondern Chancen auf Freundschaft und tolle Erlebnisse verbaut. Das Schneehäschen hat dies erkennt und mahnt zur Vernunft. Es führt den anderen ihre Fehler vor Augen, ermöglicht ihnen aber auch das Unrecht wiedergutzumachen.

Es handelt sich also um eine klassische Freundschaftsgeschichte, die durch die weihnachtliche Stimmung noch verstärkt wird. 

Die Sprache ist sehr schlicht gehalten und wirkt zu Beginn etwas holprig. Nach wenigen Sätzen hat man jedoch einen Lesefluss entwickelt und erkennt, dass die einfachen Worte die Stimmung und die Kernaussagen sehr gut transportieren können. Zudem bieten die kurzen Sätze und die nachvollziehbaren Dialoge auch den kleinsten Zuhörern eine Möglichkeit die Handlung kontinuierlich und mit Interesse zu verfolgen. Die sehr großformatigen und übersichtlichen Zeichnungen unterstützen die Erzählung gut. Besonders die Farbgebung verstärkt das Gefühl von Kälte und vielleicht auch Angst, wenn alle im Wald unterwegs sind. Und im Gegensatz dazu dominieren bei den Bildern, die im Dachsbau spielen, sehr warme Töne, die es schaffen Harmonie und Liebe zu vermitteln.

Fazit: Eine schöne Weihnachtgeschichte, die gerade bei ungemütlichem Wetter ihre Wirkung entfaltet und den Kindern zeigt, dass das Beisammensein an Weihnachten doch das schönste Geschenk ist.