Dienstag, 28. Februar 2012

Anna Kemp & Sara Ogilvie, Wenn ein lila Nashorn kommt

- Aber jedes Mal, wenn sie versuchte, ihren Eltern davon zu erzählen, sagten sie nur: "Bitte, Daisy! Kannst du nicht sehen, dass wir beschäftigt sind?" -

Jedes Kind hat wahrscheinlich manchmal das Gefühl, dass ihm die eigenen Eltern nicht zuhören. Bei Daisy ist das noch ein bisschen anders. Sie hat den lebendigen Beweis, dass sie ignoriert wird. Ihr Beweis ist riesig, lila, besitzt zwei Hörner und liebt Pfannkuchen. In dem Haus der Familie taucht nämlich tatsächlich ein großes Nashorn auf, das die Toilette benutzt, umfangeich frühstückt und es sich bequem macht. Daisy versucht, dies ihren Eltern zu berichten. Doch die, hören ihr nicht richtig zu und bemerken das Nashorn gar nicht. Irgendwann gibt das kleine Mädchen auf und freundet sich mit dem Nashorn an. Sie spielen gemeinsam, unterhalten sich, toben und essen Pizza. Daisy ist zwar noch immer traurig, dass ihr ihre Eltern nicht zuhören oder ihr nicht glauben. Als sie aber Trost bei ihrem neuen Freund sucht, fällt ihr die tiefere Traurigkeit des Tieres auf. Im Gegensatz zu Daisy ist es nämlich sehr weit von zuhause entfernt. Wie kann man das Nashorn wieder in seine Heimat zurückbringen? Alle Pläne, die Daisy schmiedet scheitern an der Größe oder dem Gewicht des Tieres. Als sie am nächsten Tag mit ihren Eltern in den Zoo geht und endlich auf offene Ohren stößt, wendet sich das Blatt.
Rezensiert für Buecherkinder.de

Kennt nicht jeder, egal ob Mama, Papa oder Kind, die Situation, dass man mal nicht zuhört? Hier werden die Folgen auf kindliche und dramatische Weise mit viel Witz beschrieben. Das Kind leidet unter der Situation, reißt sich aber zusammen, um dem neuen Freund zu helfen, der weit weg von seiner Heimat ist. Und die Eltern des kleinen Mädchens müssen sich eingestehen, dass sie lieber einmal mehr zuhören und sich mehr kümmern sollten. Am Ende sind alle vereint und kämpfen für eine gemeinsame Sache.
Aber nicht nur die Geschichte überzeugt junge und alte Leser. Das Buch ist auf jeder Seite irgendwie kunterbunt und fröhlich. Immer wieder taucht ein schönes Lila auf, selbst wenn weit und breit kein Nashorn in Sicht ist. Das führt unweigerlich zu guter Laune, wenn man das Buch vorliest. Hinzu kommen sonderbare Details, die nicht Teil der Geschichte sind, den kleinen Entdecker aber belustigen.

O-Ton des Testlesers (4 Jahre): Der Anfang hat mir nicht so gut gefallen, weil ich nicht wusste, dass Eltern manchmal nicht zuhören. Aber sonst hat mir alles gefallen.

Fazit: Eine fantasievolle und unglaubliche kleine Lesereise.




32 Seiten, 26 x 26 cm, ab 3 Jahren
gebunden
ISBN 978-3-8369-5415-0
EUR (D) 12.95 | EUR (A) 13.40 | SFr 18.90


Link zur Verlagsseite

Freitag, 24. Februar 2012

John Boyne, Das späte Geständnis des Tristan Sadler

- (...) und ich tue es ihm nach, schließe die Augen und lasse den Regen auf mein Gesicht fallen. Der Regen wäscht die Scheiße weg, und ich weiß, ich habe nur ein paar Sekunde, ihn zu genießen, bis Wells wieder schreit, ich soll meinen Eimer füllen und den Graben trockenlegen, diesen verdammten, verfluchten Graben, bevor wir alle hier in dieser verdreckten, verwünschten französischen Erde begraben werden. -

Inhalt
Die allgemeine Kriegsbegeisterung, die man in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland beobachten konnte, gab es auch in den anderen Staaten. Dies war sogar noch nach Kriegsende zu spüren. Männer, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Krieg ziehen konnten, sehen sich als minderwertig an. Frauen, die sich nicht beteiligen dürften, sind noch immer brüskiert darüber und versuchen, ihre Wut zu kompensieren, indem sie Veteranen helfen. Und Jugendliche, die zu jung waren, saugen jede Geschichte in sich auf und sehen alles als ein großes Abenteuer an.

Tristan Sadler ging mit siebzehn Jahren zur Armee und kämpfte mit seinen Kameraden in Frankreich. Er hat viel Leid gesehen und am eigenen Leib gespürt. Für Menschen, die dem Krieg nachtrauern, hat er kein Verständnis. Er würde sich glücklich schätzen, wenn er die Zeit zurückdrehen und seine eigene Teilnahme, und vor allen Dingen bestimmte Taten, rückgängig machen könnte.
In den schrecklichen Tagen des Krieges stand ihm einige Zeit ein guter Freund namens Will zur Seite. Dieser schrieb häufig Briefe an seine Schwester und erhielt auch umfangreiche Antworten. Leider ist er auf "unrühmliche" Art umgekommen. Dieses Ereignis verfolgt Tristan jede Minute des Tages und er hofft, dass sich dieses Gefühl ändert, wenn er Wills Schwester die gesammelten Briefe, die sie an ihren Bruder schrieb, zukommen lässt. Er fährt nach Norwich um das Päckchen persönlich zu übergeben. Doch mit diesem Treffen, und den Erzählungen und Fragen der jungen Frau, kehren Erinnerungen und Gefühle zurück, die Tristan aufwühlen und ihn auffordern sich seiner Vergangenheit und seiner eigenen Schuld zu stellen.

Sprache, Stil,...
John Boyne ist den meisten Lesern wahrscheinlich durch sein kleines Buch "Der Junge im gestreiften Pyjama" bekannt. Über diese Geschichte gibt es viele Diskussionen, bei denen es hauptsächlich um die Darstellung von historischen Ereignissen geht. In seinem Buch "Der Schiffsjunge" ging er noch weiter in die Vergangenheit zurück und thematisierte die Ereignisse auf der Bounty. Aus meiner Sicht lag ein riesiger Entwicklungsprung zwischen diesen beiden Büchern. Doch was uns Boyne jetzt anbietet, ist noch eine Stufe besser.
Die Geschichte von Tristan Sadler ist spannend, realistisch und auch traurig. Sie orientiert sich an historischen Gegebenheiten, die den meisten Menschen nicht bekannt sind. Gleichzeitig können alle Ereignisse ebenso auf andere Kriege übertragen werden. Boyne schafft es den Leser immer wieder zum Nachdenken anzuregen und dafür zu sorgen, dass man die eigenen Gefühle und sogar die eigene Position reflektieren muss. Der jungen Tristan könnte genauso ein junger Soldat im Kosovo oder Afghanistan sein. Seine Gedanken, die aus bestimmten Weltvorstellungen resultieren, die Erlebnisse, die er während seiner Militärzeit macht und seine Entwicklung sind universell.
Damit diese Geschichte aber eine Reflexion beim Leser auslöst, stellt der Autor dem Protagonisten eine Familie und Freunde zur Seite, die ihn immer wieder anstupsen und selbst zum Nachdenken bringen. Und so entwickelt man sich praktisch während des Lesens mit Tristan Sadler. Dies passiert nicht durch Zwang, sondern durch Spannung. Boyne hat einen Lebenslauf geschrieben, der immer wieder Wendungen enthält, die völlig nachvollziehbar und realistisch sind. Gleichzeitig erzeugen sie aber einen Spannungsbogen, der dazu führt, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Zudem entwickelt er zwei verschiedene Erzählstränge, die auf ein gemeinsames zeitliches Ziel zusteuern. Sicherlich kann man anbringen, dass diesen handkniff jeder zweite Autor anwendet. Aber Boyne wäre nicht Boyne und hätte keine Entwicklung durchgemacht, wenn er an diesem Punkt aufhören würde. Nein, er fügt nach und nach weitere Handlungsstränge ein, die ein wunderbares Zeit- und Handlungsgeflecht ergeben.
Sprachlich schafft er es, dieses Geflecht mit sanften Worten zu unterfüttern, die an wenigen Stellen von einer derben Sprache unterstützt werden. An diesen Punkten soll nichts beschönigt werden, sondern die nackte Wahrheit und Dramatik der Situation sollen aufgezeigt werden. Obwohl sich das Werk vornehmlich an Jugendliche richtet, ist die Wortwahl nicht zu lax. Aus meiner Sicht hat er ein gutes Mittelmaß zwischen anspruchsvoller, sehr bildlicher und zeitgemäßer Sprache gefunden. Hier muss ich auch ein ausdrückliches Lob an den Übersetzer Werner Löcher-Lawrence aussprechen.

Fazit: Ein tolles Jugendbuch, das unbedingt zu empfehlen ist, weil es rundum überzeugt. Für mich ein literarischer Höhepunkt im Februar!


336 Seiten 
mit Schutzumschlag
EUR 19,95 · SFR 28,90 · EUA 20,60 3-7160-2664-6
ISBN-13: 978-3-7160-2664-9

Samstag, 18. Februar 2012

Korky Paul & Valerie Thomas, Zilly im Weltraum

- Hoppla! War das eine fliegende Untertasse? -

Die Zauberin Zilly und ihr etwas ängstlicher Kater Zingaro erleben immer wieder erstaunliche Abenteuer, die spannend, aber auch eine klitzekleine Spur lehrreich sind. 
In einer eher ruhigen und gemütlichen Phase beobachtet Zilly mit einem riesigen Fernrohr den Nachthimmel. Und da sie keine Minuten ohne Abenteuer auskommt, überlegt sie sofort, wie sie in den Weltraum fliegen und die Umgebung erkunden könnte. Zingaro bekommt es schon mit der Angst zu tun und verschwindet lieber. Nach einigen Tagen ist es dann tatsächlich so weit. Zilly denkt, dass der richtige Moment gekommen ist und zaubert eine Rakete herbei, die sie in den Weltraum bringen soll. Mit Picknickkorb und Katze geht es in die unbekannte Welt, die nicht nur bunte Planeten, sondern auch gefährliche metallfressende Tiere bereithält. Werden Zilly und Zingaro wirklich in Ruhe picknicken können und dann einfach wieder umkehren?

Für www.buecherkinder.de rezensiert
Wunderbar bunt und detailreich wird die erstaunliche Weltraumgeschichte erzählt. Die Bilder erstrecken sich immer auf mehr als eine Buchseite und der Text findet sich in einem weiß hervorgehobenen Bereich, der auch noch durch kleine Zeichnungen verschönert wird. So fällt das Lesen nicht schwer und für die kleinen Betrachter befinden sich keine störenden Buchstaben in den Bildern.
Viele unrealistische Dinge befinden sich natürlich in den Abbildungen. Aber bei der Hauptfigur handelt es sich ja auch um eine Zauberin. Daher kann man sich über jede Seite eine halbe Ewigkeit unterhalten und amüsieren. Zusätzlich befindet sich auf jeder Seite eine sehr realistische Abbildung eines Planeten. Versehen ist die Zeichnung mit dem Namen und dem entsprechenden Symbol. Hier bietet es sich an den ganz wissbegierigen Kindern, etwas über die Planeten und die reale Weltraumfahrt zu erzählen.
Je nachdem wie tief man in die Thematik einstiegt, ist das Buch für kleinere und größere Zuhörer geeignet.

O-Ton des Zuhörers (4): Ich fand das Buch ganz schön und ein paar Sachen kann ich jetzt schon lesen, weil die so einfach zu verstehen sind.


EUR 12,95

Übersetzt aus dem Englischen von Ulli Günther / Herbert Günther

ISBN 978-3-407-79452-9

1. Auflage 2012. 32 Seiten.

Gebunden.

Ab 4 Jahre

Sonntag, 12. Februar 2012

Roberto Saviano, Das Gegenteil von Tod

- Sie kapieren nicht, dass das nicht Dinge sind, die sie selbst entscheiden können. Wo man die Soldaten hinschickt, was sie tun. Sie erhalten Befehle. Und sie können nicht über ihr Leben bestimmen. Wie soll ich das den Frauen sagen? Sie glauben, wenn sie  mir genau zuhören, könnten sie ihre Männer retten, und warum sollte ich sie nicht in dem Glauben lassen? -

Das Buch "Gomorrha", und wahrscheinlich noch mehr der dazugehörige Film, haben Roberto Saviano über die italienischen Landesgrenzen berühmt gemacht. Doch viel schwerer wiegt seine umfassende literarische und aufrührende Tätigkeit, die sich in einer Vielzahl von Zeitungsartikeln und Essays widerspiegelt. Unablässig prangert er die mafiösen Strukturen und den politischen Dilettantismus in Italien und Europa an. Er beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Globaliserung, Europa, Wirtschaftskriminalität und Bevölkerungswachstum.

In dem vorliegenden kleinen Büchlein befinden sich auf 71 Seiten zwei Aufsätze, die sich mit dem Gegenteil von Tod beschäftigen. Doch was ist eigentlich das Gegenteil? Ganz lapidar das Leben? Oder vielleicht doch die Liebe? Gesundheit, Glück oder innere Ausgeglichenheit? Oder steht der Süden Italiens vielleicht für den Tod und der Norden für das Gegenteil?
Manchmal scheint der Leser während des Lesens, die Lösung klar vor den Augen zu haben und dann verschwindet sie wieder im Nebel von neuen Ereignissen und schmerzhaften Gefühlen.

Besonders Marias Geschichte, die in der ersten Hälfte erzählt wird, scheint zunächst glasklar und erfährt dann doch wieder einige unerwartete Wendungen, die zum Nachdenken anregen.
Der Verlobte der jungen Italienerin hatte sich freiwillig für die Armee gemeldet und ging aus finanziellen Gründen nach Afghanistan. Dort wurde er in einem Einsatz getötet. Seit diesem Tag scheint Marias Leben beendet zu sein. Gleichzeitig ist sie seitdem aber auch von dem Land wie besessen und möchte jede Einzelheit erfahren. Obwohl es schmerzt, will sie alles über die Einsätze wissen, sie möchte mit jedem Soldaten, der annähernd etwas mit ihrem Verlobten zu tun hatte, sprechen. Und dabei vergisst sie, dass sie eigentlich noch ihr ganzes Leben vor sich hat. 

In dem zweiten Aufsatz berichtet der Erzähler von seiner Jugendliebe, die aus dem Norden kam und so gar keine Vorstellung von dem Leben im Süden hatte. Sie kannte nicht die alltägliche Präsenz der Mafia und des Todes. Sie wusste nichts davon was es heißt, als unbesetztes menschliches Territorium angesehen zu werden. Und sie konnte nicht verstehen, warum sie wie ein Exot begafft wurde. Eine Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Fazit: Zwei wundervolle Aufsätze, die wieder einmal tief in die italienische Seele vordringen. Sicherlich nichts für Saviano-Einsteiger. Für Kenner ist das kleine Werk aber unverzichtbar.


übersetzt aus dem Italienischen von Friederike Hausmann, Rita Seuß
Erscheinungsdatum:
04.02.2009
Fester Einband, 72 Seiten

Preis: 10.00 € (D) / 14.90 sFR (CH) / 
10.30 € (A)
ISBN 978-3-446-23335-5

Link zur Verlagsseite

Freitag, 10. Februar 2012

Gewinnspielauslosung

Leider gab es bei diesem Gewinnspiel nicht so viele Teilnehmer. :-(
Und ganz unprofessionell hat mein Sitznachbar mir mal zwei Zahl genannt.
Gewonnen haben:
Sarah und Rana The Cat

Schickt mir doch bitte eine Mail, ob ihr eine Buchhülle oder einen Beutel haben möchtet.

Für alle anderen gibt es Ende Februar ein neues Gewinnspiel!

Liebe Grüße,
Charlene

Donnerstag, 9. Februar 2012

Gefährten (Filmkritik, David Kross und Gewinnspiel)

Nachdem ich euch in der letzten Woche hier kurz den Film "Gefährten" vorgestellt habe, folgt heute die Kritik. Da der mittlerweile sehr bekannte Schauspieler David Kross auch eine Rolle in dem Film übernommen hat, präsentiere ich euch noch ein Video, in dem er über den Film berichtet. Zudem möchte ich euch noch auf das Gewinnspiel hinweisen, an dem ihr noch bis morgen um 15 Uhr hier teilnehmen könnt!

Umsetzung 
Ganz bewusst läuft die filmische Umsetzung, ebenso wie die sehr erfolgreiche Theaterproduktion, unabhängig von dem Buch. D.h. der Roman wird zwar als Vorlage genutzt, dient aber nicht als Anleitung für die Verfilmung. Ganz bewusst weicht Steven Spielberg von der literarischen Erzählung ab und schafft so einen wundervollen Film, der dem Buch in nichts nachsteht. Der größte Unterschied besteht darin, dass Joey zwar im Mittelpunkt steht, man aber nicht seine Gedanken hören kann. Dies führt wiederum dazu, dass die Menschen zu Erzählern werden und doch in den Hintergrund treten. Sie sind Wegbegleiter und treue Freunde des Pferdes, bilden aber nicht das Zentrum des Films. Natürlich macht dies eine besondere Arbeit mit den unterschiedlichsten Tieren notwendig. Über 100 Pferde waren im Einsatz, spezielle Make-up-Künstler wurden eingestellt, diverse Trainer mussten engagiert werden und die gesamte Arbeit wurde von unabhängigen Beobachtern, die sich um das Wohl der Tiere kümmern sollten, verfolgt.
Wie umfangreich die Suche nach geeigneten Schauplätzen und das Konstruieren diverser Kulissen war, soll hier gar nicht weiter erwähnt werden. Fünf Minuten des Films reichen aus, um zu erkennen, welche Arbeit in die Umsetzung gesteckt wurde.

Kritik
Aus meiner Sicht hat es Steven Spielberg geschafft die literarische Vorlage nicht nur umzusetzen, sondern die Geschichte zu veredeln. Zunächst ist die Auswahl der Schauspieler zu loben. Wie auch schon in seinen anderen Filmen, findet man bekannte Schauspieler neben sehr talentierten Newcomern. Besonders mit der Besetzung von Jeremy Irvine (Albert Narracott) hat Spielberg sein gutes Gespür bewiesen. Irvine schafft es von der ersten Sekunde an die Leidenschaft, welche in der Freundschaft zu Joey steckt, auf das Publikum zu übertragen. Man freut sich mit den beiden, leidet aber auch und trauert mit ihnen. Allen leichten Gemütern sei daher schon an dieser Stelle die Mitnahme von Taschentüchern empfohlen!
Doch auch die gestandenen Persönlichkeiten, wie Emily Watson (Rosie Narracott) und David Thewlis (Lyons), füllen die Figuren mit solch einer Kraft, das der Film zu einem Seherlebnis wird.
Sicherlich werden einige Kritiker sagen, dass diese Form des Films eher altbacken ist. Epochale Bilder mit mächtiger Musik, wundervolle Landschaftsbilder, die farblich exakt mit den Geschehnissen harmonieren und eine Erzählung, die durch die verschiedenen Schauplätze und unzähligen Charaktere eigentlich jeden Rahmen sprengt. Doch ist es nicht gerade das, was einen Film besonders macht? Er stellt sich gegen den Mainstream und erzählt dabei eine zeitlose Geschichte voller Freundschaft und Liebe, die sich vor dem Hintergrund eines schrecklichen Krieges abspielt.

Fazit
Endlich einmal eine sehr gelungene Adaption, die man uneingeschränkt empfehlen kann. In zweieinhalb Stunden werden alle menschlichen Emotionen angesprochen und es wird gezeigt was wirklich wichtig ist im Leben.


Gefährten - David Kross Featurette HD

 

Dienstag, 7. Februar 2012

Daniel Napp, Das dicke Buch von Dr. Brumm

Da Dr. Brumm jedem Leser bekannt ist... Wie bitte, Sie kennen Dr. Brumm noch nicht? Das sollten sie schleunigst ändern, sonst verpassen Sie wunderbare Abenteuer, in denen ein netter Braunbär Alltagsproblemen auf den Grund geht und in das ein oder andere Fettnäpfchen tritt. Dr. Brumm mag zwar nicht immer das hellste Köpfchen sein, aber seine Neugier und seine Entdeckernatur wirken ansteckend. Und während man ihn begleitet, hüpft man vor Spannung hin und her, spannt seine Lachmuskeln fast sekündlich an und schüttelt den Kopf über so viel Einfallsreichtum. Natürlich ist das nicht nur Dr. Brumm allein zu verdanken. Nein, auch sein geliebter Freund Pottwal, der in einem Goldfischglas ständiger Begleiter des Bären ist, sorgt für heitere und nervenaufreibende Momente.

In dem "dicken Buch" sind vier Brumm-Geschichten versammelt, die es bisher nur als einzelne Bücher in verschiedenen Formaten gab. Ergänzt werden sie durch fünf kleine amüsante Erzählungen, die sich immer zwischen den Hauptteilen befinden und so eine schöne Abwechslung für den Leser und den Betrachter darstellen. Sie bilden zudem eine Art Außenskelett, da sie mit dem Aufstehen anfangen und mit dem Versuch endlich einzuschlafen enden.

Daniel Napp hat sich mit Dr. Brumm in viele Vorleser- und Kinderherzen geschrieben und gezeichnet. Und die Beobachtungen und Befragungen meines fast fünfjährigen Testlesers haben gezeigt, dass die Charaktereigenschaften der einzelnen Figuren in den Bildern und im Text wunderbar wiedergegeben werden. Die leicht tollpatschige und etwas begriffsstutzige Art von Dr. Brumm wird als sehr witzig aufgefasst und sorgt auch immer wieder für interessante Diskussionen über sein Verhalten. Gleichzeitig sind die Abenteuer aber auch so spannend, dass der Leser/Betrachter immer am Ball bleibt. Und letztendlich laden die liebevollen und detailreichen Bilder zum ausführlichen Betrachten ein. Ein einziges Manko habe ich beim Vorlesen entdeckt. Die häufig Wiederholung von "sagt Dr. Brumm" und "sagt Pottwal" ließ ein wenig Monotonie aufkommen, die sich allerdings nicht auf den Zuhörer übertragen hat.

Fazit: Ein wunderbarer Sammelband für Brumm-Neulinge und Brumm-Fans aller Altersklassen. Hier werden Spaß und Abenteuer ganz groß geschrieben.


Aus der Reihe: Dr. Brumm
Laminierter Pappband
128 Seiten
Format: 21,3 x 27,5 cm
Ab 4 Jahren
ISBN: 978-3-522-43716-5
 

Preis: 14,95 €
Österreich: 15,40 €, Schweiz: 21,90 sFr
Erscheinungstermin: 05.01.2012




Link zur Verlagsseite
Seite von Daniel Napp



Sonntag, 5. Februar 2012

Alex Capus, Léon und Louise

- Das von animalischer Lüsternheit diesmal keine Rede sein konnte, trug Léon mit Fassung. Er war zu einem Mann von einiger Lebenserfahrung herangewachsen, und nach fünf Jahren Ehe war ihm bekannt, dass die Seele einer Frau auf geheimnisvolle Weise in Verbindung steht mit den Wanderungen der Gestirne, dem Wechselspiel der Gezeiten und den Zyklen des weiblichen Körpers, möglicherweise auch mit unterirdischen Vulkanströmen, den Flugbahnen der Zugvögel und dem Fahrplan der französischen Staatsbahn (...) -

16. April 1986
Die Familie Le Gall befindet sich in der Kathedrale Notre Dame und nimmt an einem Trauergottesdienst für ihren Verwandten Léon teil. Die Kirche ist viel zu groß für solch eine Runde, aber der eigentlich nicht gläubige Verstorbene hat sich einen Abschied in dieser Form gewünscht. Und wer würde schon einen testamentarisch festgelegten Wunsch ausschlagen? Die eher langweilige Trauerfeierlichkeit wird unterbrochen, als eine ältere und sehr elegant gekleidete Dame die heiligen Hallen betritt und direkt auf den offenen Sarg zusteuert. Sie küsst Léon kurz auf die Stirn, legt dann ihre Wange an seine und holt anschließend eine Fahrradklingel aus der Tasche, die sie zweimal betätigt und letztendlich in den Sarg legt. Sie schaut allen anwesend einzeln kurz in die Augen und verlässt die Kathedrale dann wieder. Alle fragen sich, ob diese Dame wirklich die Mademoiselle war, über die sie einiges wussten, aber deren Gesicht sie nicht kannten - Louise Janvier.

Ausgehend von diesem Tag, der eigentlich in gewisser Weise das Ende einer großen Liebe darstellt, beschreibt ein Enkel Léons die ganze Geschichte des Paares. Er beginnt im Jahr 1918 und berichtet wie sein Großvater mit 17 Jahren das Elternhaus verließ und was diesem Abschied vorausgegangen war. Nur mit einem Koffer auf dem Fahrrad begibt sich der Junge von Cherbourg nach Saint-Luc-sur-Marne, wo er als Morseassistent im dortigen Bahnhof arbeiten soll. Zum Glück weiß niemand, dass seine Morsekenntnisse aus einem Heft für Jugendliche stammen und er ständig auf einen Zettel schauen muss, um keine Fehler zu machen. Für ihn zählt aber nur die Flucht aus dem Elternhaus. Wohin es geht und welche Tätigkeit er dort ausüben muss, ist erst einmal zweitrangig. 
Nach einer wunderschönen, aber auch anstrengenden Fahrt, die er in mehreren Etappen gemeistert hat, wird er kurz vor seinem Ziel von einem wunderschönen Mädchen auf einem Fahrrad überholt. Léon ist total fasziniert und bekommt sie nicht mehr aus seinem Kopf. Doch erst einmal muss er sich auf seine Arbeit konzentrieren und sich einleben. Jede freie Minute wird aber für die Suche nach diesem Mädchen genutzt. Auch wenn das manchmal nur heißt in einer Bar zu sitzen und auf ihr zufälliges Eintreffen zu hoffen. 
Als sie sich wirklich kennen lernen, ist die Begegnung eher zögerlich. Louise denkt, dass Léon sie nur ins Bett bekommen möchte und Léon ist einfach nur auf eine kindlich-naive Weise fasziniert von der Angebeteten. 
Ganz langsam gehen sie aufeinander zu und erzählen sich ihre Gedanken und Gefühle. Sie tauschen auch kleine Nettigkeiten aus. So findet der handwerklich talentierte und sammelwütige Léon immer wieder Teile, die er als kleine Geschenke an Louises Fahrrad verbauen kann. Zum Beispiel eine runde Fahrradklingel, die ein herrliches Rrri-Rring von sich gibt! 
An einem herrlichen Sommertag begeben sich die beiden per Fahrrad an die Atlantikküste und verbringe dort unter freiem Himmel eine wunderbare Nacht. Beseelt von diesem Ereignis radeln sie, wie die Wilden zurück In Richtung Saint-Luc-sur-Marne, als ein Fliegerangriff sie plötzlich überrascht und auseinanderreißt. Beide können gerettet werden, halten sich aber einander für tot und tauchen bald schon in ein neues Leben ein.
Louise steckt voller Energie und geht als unabhängige Frau ihren beruflichen Weg. Léon heiratet, bekommt eine staatliche Anstellung und wird Vater. Beide leben und arbeiten gar nicht weit voneinander entfernt in Paris. Und so passiert es, dass sich ihre Wege nach zehn Jahren in der Métro kreuzen. Finden Sie nach so langer Zeit wieder richtig zueinander oder ist es nur eine Liebe, die man nicht ausleben kann und die ewig im Herzen eingeschlossen ist?

Alex Capus hat nicht nur einen Liebesroman über ein erstaunliches Paar geschrieben, der stark durch seine eigene Familiengeschichte beeinflusst wurde. Nein, er greift auch immer wieder die historischen Hintergründe auf und beschreibt anhand von Léon, Louise und ihren Angehörigen, wie bestimmte Verhaltensweisen in besonderen Kontexten entstanden sind. Damit versucht er ein ganzes Jahrhundert einzufangen und vielleicht auch in gewisser Weise die Menschen dieser Zeit zu verstehen.
Seine Sprache ist dabei sehr klar und doch poetisch. Gerade die ersten Kapitel haben mich überrascht und Hoffnung aufkommen lassen, das es sich hier um einen großen literarischen Glücksfall handelt. Leider konnte der Autor meine hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Trotzdem ist seine Ausdrucksweise sehr angenehm und ab und an wunderschön malerisch. Kleine philosophische Gedanken pflanzen sich beim Leser ein und wachsen erst ganz langsam zu leiblichen Ranken, die einen erfreuen und zum Lächeln bringen. 
Aber auch mit traurigen und vielleicht sogar unverständlichen Situationen wird der Leser konfrontiert. Dabei darf man nie vergessen in welcher Zeit sich dieses Paar gefunden und wieder verloren hat. Was der ein oder andere Leser den Protagonisten daher als charakterliche Züge zuschreiben wird, ist aus meiner Sicht eine gelungene Darstellung der Handlungsspielräume in der damaligen Zeit. Das betrifft besonders Léons Frau, die aus meiner Sicht eher pragmatisch und zeitgemäß handelt und nicht offen und äußerst tolerant. In diesen Figurenbeschreibungen liegt auch eine Stärke des Romans. Man kann sich die Menschen exakt vorstellen und hat das Gefühl sie zu verstehen. Man geht nicht immer konform mit ihren Entscheidungen, kann sie aber nachvollziehen.
Als einzige Schwäche ist mir in diesem Werk eine gewisse Langatmigkeit aufgefallen. Man hat aber den Eindruck, das Capus dies auch bewusst geworden ist, und er versucht hat den Makel durch eine gewisse zusätzliche Konstruktion und Füllung der Geschichte auszugleichen.

Fazit: Ein toller Roman über eine wechselvolle Liebesgeschichte, die fast 70 Jahre andauerte.



Roman
Erscheinungsdatum:
07.02.2011

Fester Einband, 320 Seiten
Mit Lesebändchen

Preis: 19.90 € (D) / 27.90 sFR (CH) / 20.50 € (A)
ISBN 978-3-446-23630-1




 Auf den Spuren von Leon und Louise: Mit Alex Capus in Paris



Da ich das Buch im Rahmen einer Leserunde von Hanser erhalten habe, möchte ich mich hier noch einmal recht herzlich bedanken!!!

Mittwoch, 1. Februar 2012

Gefährten (Filmvorstellung und Gewinnspiel)

Obwohl Michael Morpurgo in England ein sehr angesehener und erfolgreicher Kinder- und Jugendbuchautor ist, kennen ihn in Deutschland nur sehr wenige Menschen. Dabei wurde sein erstes großes Werk bereits Anfang der 80er Jahre veröffentlicht. Aber erst nach 20 Jahren fand es den Weg nach Deutschland und erschien 2004 unter dem Titel "Schicksalsgefährten" im Carlsen Verlag. Die darin erzählte Geschichte wurde nun von Steven Spielberg auf eine sehr eindringliche und gleichzeitig opulente Art und Weise verfilmt.

Die Geschichte
Die dreiköpfige Familie Narracott bewohnt einen kleinen Hof in der moorigen Grafschaft Devon. Immer wieder sind sie in ihrer Existenz bedroht und verlieren fast den Hof. Das letzte Geld soll daher für den Kauf eines kräftigen Arbeitspferdes aufgewendet werden, das dabei helfen kann, die Felder zu bestellen. Auf einer Auktion im nahegelegenen Ort, entdeckt das trinksüchtige Familienoberhaupt Ted Narracott jedoch ein Pferd, das ihn von der ersten Minuten an fasziniert. Er kann nicht genau beschreiben warum er gerade dieses Pferd haben möchte, sondern er fühlt einfach, dass es sich hierbei um einen ganz besonderen Hengst handelt. Als auch noch Narracotts Verpächter mit einem Gebot einsteigt, ist Ted wild entschlossen zu siegen. Entgegen jeder Vernunft ersteigert er das Pferd tatsächlich und gefährdet damit erneut sich selbst und seine Familie. Denn nur wenn dieses Pferd tüchtig genug ist, kann mit harter Arbeit das Geld für die nächste Pacht erwirtschaftet werden.
Albert, der junge Sohn von Ted und Rosie Narracott, kümmert sich sofort um das Pferd, dem er den Namen Joey gibt. Nach der ersten zögerlichen Begegnung finden die beiden schnell zueinander und sind in der darauffolgenden Zeit unzertrennlich. Sie scheinen sich blind zu verstehen und meistern gemeinsam jede noch so schwierige Hürde. Doch dann bricht der Erste Weltkrieg aus, die Ernteerträge sind nicht wie erhofft und die Pacht ist fällig. Ted bleibt nichts anderes übrig, als das Pferd zu verkaufen. Und Albert kann nichts anderes tun, als seinem Freund ewige Treue zu schwören.
Joey wird daraufhin der treue Begleiter vieler Menschen, die auf den verschiedensten Seiten stehen und doch alle in den Krieg verwickelt sind. Britische Kavalleristen, deutsche Soldaten und ein französischer Bauer, der mit seiner Enkelin sehr zurückgezogen lebt, werden durch die Begegnung mit ihm verändert und inspiriert. Doch dann gerät das tapfere Pferd zwischen die Fronten.
Die literarische Vorlage
Michael Morpurgo hatte sich schon lange vorgenommen, eine Geschichte zu schreiben, die Jugendlichen die Geschehnisse des Ersten Weltkrieges näher bringen könnte. Die zündende Idee kam ihm aber erst, als er in einer Kneipe auf einen alten Veteranen traf, der begeistert von seinen Erlebnissen berichtete. Allerdings lag sein Schwerpunkt nicht bei den gemeinsamen Erlebnissen mit anderen Männern. Nein er berichtete von den treuen und heldenhaften Pferden, die den Soldaten zur Seite gestanden hatten. Morpurgos Ehrgeiz war gepackt und er recherchierte umfangreich welche Rolle Pferde im Ersten Weltkrieg spielten. So entstand nach und nach die Idee ein Pferd als erzählenden Protagonisten in den Mittelpunkt des Werkes zu stellen. Joey erzählt in dem Buch seine Lebensgeschichte, die von Freundschaft, Durchhaltevermögen, Verlusten und einem enormen Glauben an eine gute Zukunft und die Rückkehr zu seinem besten Freund geprägt ist.

Meine Darstellung der filmischen Umsetzung und die Kritik folgen am 8. Februar auf diesem Blog!!




Filmtitel: GEFÄHRTEN
Originaltitel:WAR HORSE
Startdatum: 16.02.2012
Copyright: Touchstone/Dreamworks
FSK: 12 Jahre ffr.
Prädikat: BESONDERS WERTVOLL
Laufzeit (in Minuten): 146
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Jeremy Irvine, Peter Mullan, Emily Watson, David Kross,Rainer Bock

Und damit meine zahlreichen Blogbesucher auch die Möglichkeit haben diese wunderbare Geschichte kennenzulernen, verlose ich zwei Exemplare von "Schicksalsgefährten". Die Bücher werden euch in einer von mir genähten Hülle oder einem Beutelchen zugeschickt :-)
Was ihr dafür tun müsst? Beantwortet einfach bis Freitag (10.02.2012) um 15 Uhr die zwei folgenden Fragen und schon landet ihr im Lostopf:


1. Habt ihr auch einen Gefährten, egal ob Mensch oder Tier, der euch schon ewig begleitet?
2. Gibt es vielleicht eine literarische Figur, die ihr als Gefährten für gute und schlechte Zeiten empfehlen könnt?



Ein dickes Danke geht an Frandly PR (und Walt Disney Studios Motion Pictures Germany), die mir dieses Gewinnspiel ermöglichen!

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Paulo Coelho, Aleph

- Doch ich wusste, dass wir wie zwei Wolken am Himmel waren, von denen man nicht sagen kann, wo die eine anfängt und die andere aufhört. Ein Jahr später waren wir verheiratet, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Wir bekamen Kinder und ehrten Gott und Familie... bis eines Tages der Wind kam und die Wolken wieder trennte. -

Zum Autor
Das Leben von Paulo Coelho war schon früh kirchlich geprägt. Seine Eltern waren streng katholisch und konnte mit seinem Aufbegehren als Jugendlicher nicht umgehen. Sie ließen ihn sogar dreimal in eine Nervenheilanstalt einweisen. Neben diesem familiären Konflikt erlebte er aber noch viele andere. Er engagierte sich zum Beispiel auch politisch und rief zum Kampf gegen das brasilianische Militärregime auf und wurde daraufhin entführt und gefoltert. Songtexte, Bühnenstücke und Drehbücher zeugen außerdem von einer Sinnsuche, aber auch von dem beschreiten eines Weges, der als einzig wahre Richtung gesehen wird. In all seinen künstlerischen Ausdrucksformen erkennt man auch immer einen mystischen Anteil. Und obwohl er sich von der katholischen Kirche abwendete, findet er auf seiner Suche immer wieder in Teilaspekten zu ihr zurück.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass sein erstes großes Werk die Begehung des Jakobsweges behandelt. Schon dieses Buch zeigt die starke biographische Färbung der Geschichten. Denn Coelho hatte sich längere Zeit einem Orden angeschlossen und beschritt 1986 den Jakobsweg. So weit ich das als unerfahrener Coelho-Leser einschätzen kann, sind seine Werke durchweg christlich, mystisch und alchemistisch geprägt und berufen sich auch diesbezüglich auf seine persönlichen Erfahrungen. Seine Protagonisten zeichnen seinen eigenen Weg nach, machen die gleichen Erfahrungen und geben dieselben Weisheiten weiter, die auch der Autor in verschiedenen Zusammenhängen kundtut. Diese Strategie ist sehr erfolgreich. Der Alchemist, welcher 1988 erschien, wurde zum Beispiel in über 50 Sprachen übersetzt. Zudem stellt der Autor viele Werke online und kostenlos zur Verfügung. Er konnte damit nachweisen, dass eine kostenlose Publikation im Internet die Verkaufszahlen der Bücher nicht schrumpfen lässt, sondern sogar steigert. Auch sein Erfolg außerhalb der Buchläden ist überwältigend. Ich glaube es ist mittlerweile einfacher zu sagen, welche Preise er nicht erhalten hat, anstatt die Gewinne aufzuzählen.

Die Persönlichkeit des Autors und seine Erlebnisse weckten somit schon ausreichend Interesse und es fehlte nur noch eine Gelegenheit, um in den Coelho-Kosmos einzutauchen. 

Das Buch
In Aleph berichtet Paulo Coelho von dem Versuch wieder König seines eigenen Reiches zu werden. Er möchte wieder eins mit sich selbst sein und eine innere Zufriedenheit und Freude empfinden. Hierfür muss er sich auf eine Reise begeben und erst einmal erkennen, was ihm verlorengegangen ist. Denn eigentlich hatte er das Gefühl schon am Ziel seiner Sinnsuche, angekommen zu sein. Er versucht mit spirituellen Traditionen wieder auf den richtigen Weg zu gelangen. Doch eigentlich ist er nur noch angewidert von den Ritualen und will fliehen. Genau das macht er auch. Er stürzt sich von einer Lesereise in die andere und hofft dabei einen vorbestimmten Weg zu finden, bleibt aber letztendlich erfolglos. Nur die Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn steht noch aus. Genau hier beginnt das eigentliche Abenteuer und die mystische Reise. Paulo lernt die junge Hilal kennen und wird sie nicht mehr los. Sie mutiert zu seinem Schatten und scheint ihn abgöttisch zu lieben. Schnell erkennen die beiden, dass sie in einem früheren Leben, obwohl diese Bezeichnung von Coelho stark angegriffen werden würde, eine enge Verbindung eingegangen waren. Der Autor reist immer wieder zu anderen Reinkarnationen seiner eigenen Persönlichkeit und weiß, dass er einmal acht Frauen ein großes Leid zugefügt hat. Er kennt allerdings nicht die gesamte Geschichte. Ist Hilal eine dieser Frauen und wird sie ihm bei seiner Suche helfen können?
Gemeinsam dringen sie in ihr Innerstes vor und ergründen ihre Seelen. Aber auch die anderen Mitreisenden haben ihre Problemen, die den Autor berühren und auffordern zu helfen. 

Meine Meinung
Ich habe mich mit den vielen mystischen Aspekten und den religiösen Symbolen sehr schwer getan. Coelhos eigene Rolle wird in meinen Augen extrem positiv und teilweise auch sehr überheblich dargestellt. Er scheint die Weisheit inhaliert zu haben und will seine Kenntnisse herausbrüllen. Alle warten auf seine weisen Worte und eine Gelegenheit, die mit göttlicher Energie gefüllt ist. Hinzu kommen die verschiedenen "Reisen" in seine Seele und zu seinen anderen Inkarnationen. Dabei entwickelt er ein anderes Zeitsystem und denkt nicht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Alles scheint in Bewegung zu sein und passiert immer wieder. 
Wirklich interessant fand ich die historischen Bezüge und die Erzählungen, die sich mit den alten Erlebnissen beschäftigen.
Auch sprachlich gesehen ist der Roman durchaus empfehlenswert. Trotz der Symbolik wirkt die Sprache sehr klar und leicht. Coelho schafft es sehr verständlich und gleichzeitig metaphorisch zu schreiben. Viele Lebensweisheiten werden außerdem eingeflochten, wirken allerdings irgendwann zu mächtig und erdrücken die Leser, die sich sonst nicht in solch einem literarischen Umfeld bewegen.

Fazit
Die Sprache hat mich überzeugt. Allerdings war die Geschichte aus meiner Sicht zu stark auf die Person Coelhos fixiert und religiös überladen. Somit würde ich sie nur speziellen Lesern empfehlen.
 

 Roman, Hardcover Leinen, 320 Seiten
Erschienen in Jan. 2012

ISBN 978-3-257-06810-8
€ (D) 19.90 / (A) 20.50
sFr 33.90*
* unverb. Preisempfehlung






 
Danke für das Rezensionsexemplar!