Da der Kenntnisstand
meiner Blogleser bezüglich der älteren Werke von Nele Neuhaus sicherlich sehr
unterschiedlich ist, möchte ich die übliche Struktur meiner Rezensionen etwas
aufbrechen und heute in drei Schritten vorgehen. Ich stelle euch zunächst die
Autorin und ihren Werdegang vor, anschließend gehe ich auf die Reihe ein, in
der "Böser Wolf" erschienen ist und im letzten Abschnitt geht es um
das Buch.
Die Autorin
Nele Neuhaus wurde
in Münster/Westfalen geboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre in
Paderborn. Doch in ihrer Kindheit verschlug es sie in den Taunus, wo sie heute
noch stark verwurzelt ist. Schon recht früh schrieb sie ganze Schulhefte mit
Geschichten voll und erklärte jedem nachfragenden Menschen, dass sie unbedingt
Schriftstellerin werden möchte. Ihre Eltern kamen dem Wunsch insofern nach,
dass sie ihr Anfang der 80er Jahre eine Reise- schreibmaschine schenkten, welche
zu einem treuen Begleiter wurde. Nach ihrem Schulabschluss arbeitete Nele
Neuhaus zunächst als Sekretärin in einer Werbeagentur und versüßte sich ihre
Freizeit mit Reittraining und Turnier- teilnahmen. Auf einem solchen Turnier
lernte sie ihren Mann kennen mit dem sie das Hobby und in den folgenden Jahren
auch die Arbeitsstelle teilte. In dem Fleischereibetrieb der Familie gab es
immer viel zu tun und das Schreiben rückte in den Hintergrund. Wenn sie im
Urlaub oder in der Freizeit zum Schreiben kam, wurde sie von ihrem Mann stets nur
belächelt. Selbst ihr Vorhaben ein eigenes Buch zu veröffentlichen, wird er
wohl zunächst für einen Spaß gehalten haben. Und vielleicht hat er sich auch
ein wenig gefreut als das erste Manuskript, welches 1000 Seiten umfasste,
keinen Abnehmer fand. Doch seine Frau war von ihrer Geschichte einer New Yorker
Investmentbankerin so überzeugt, dass sie nach alternativen Wegen suchte. Mit
Hilfe des "Book on demand"- Verfahrens ließ sie eine überarbeitet
Version des Buches "Unter Haien" in einer Auflage von 500 Stück drucken.
Durch harte Arbeit und Mundpropaganda schaffte sie alle Exemplare zu verkaufen.
Daraufhin begann sie ein neues Buch zu schreiben, das eine lokale Prägung haben
sollte. Mit "Eine unbeliebte Frau" erblickte das Duo Kirchhoff &
von Bodenstein das Licht der literarischen Welt und ermittelt seit diesem Tag
gemeinsam im Taunus. Die Erstauflage von 1.000 Stück verkaufte sich wie warme
Semmeln und machte eine Fortsetzung unausweichlich. Am 18.11.2006 erschien
daher "Mordsfreunde" in einer Auflage von 5.000 Stück. Bis zu der
Übernahme von Ullstein verkaufte die Autorin sogar 10.000 Exemplare. Aufmerksam
wurde der Verlag auf Nele Neuhaus durch einen Zufall. Eine Buchhändlerin wies
eine Verlagsvertreterin auf das Werk hin. Diese las es, war begeistert, reichte
es an die Lektoren des Hauses weiter. Diese setzten sich daraufhin mit Nele
Neuhaus in Verbindung und boten ihr 2008 einen Vertrag an. Im Sommer 2009
erschien dann "Tiefe Wunden" und auch die ersten beiden Romane wurden
in das Verlagsprogramm aufge-nommen. Mittlerweile ist Nele Neuhaus eine der
wichtigsten Aushängeschilder des Verlages.
Gleichzeitig
veröffentlichte sie aber auch sehr erfolgreich Jugendbücher, die vom Thienemann
-Verlag herausgebracht werden.
Die Reihe
Im Mittelpunkt der
Krimis stehen die beiden Kommissare Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein.
Sie arbeiten im Hofheimer K11 und versuchen im Taunus-Gebiet Mordfälle
aufzuklären. Im ersten Band arbeiten die beiden auch das erste Mal zusammen an
einem Fall und der Leser bekommt einen Einblick in die Arbeitsweise und
den Charakter der beiden Protagonisten. In den folgenden Bänden kann man auf
wunderbare Art und Weise ihre berufliche Entwicklung und privaten Irrwege
miterleben. Zudem ist man hautnah dabei, wenn sie in ganz unterschiedlichen
Bereichen ermitteln und die verschiedensten Fälle bearbeiten. Jeder Band wird
von einem großen Thema umspannt, dass nicht unbedingt kriminalistischer Natur
sein muss. So ging es zum Beispiel in "Wer Wind sät" um einen
geplanten Windpark und die damit zusammenhängenden Subventionen sowie Proteste
der Bevölkerung. Ganz typisch für die Krimis ist zudem der Aufbau verschiedener
Handlungsstränge, die gleich zu Beginn eingeführt werden. Weiterhin gibt es
immer sehr viele Akteure, deren Identität teilweise erst im Verlauf der
Handlung geklärt wird. Beide Aspekte werden von Kritikern immer wieder
bemängelt und teilweise als amateurhafter Stil abgestempelt. Ich sehe das nicht
so, da gerade das schrittweise Verbinden der Handlungsstränge und das langsame
Hervorheben einzelner Personen für mich eine sehr reizvolle Art darstellt
Spannung aufzubauen. Selbst Pia und Oliver stellen erst nach und nach fest,
dass mehrere Fälle oder zurückliegende Ermittlungen mit dem aktuellen Fall
zusammenhängen. Der Leser begleitet dadurch die beiden auf der Jagd nach
Verbrechern und obwohl man teilweise als Außenstehender über mehr Informationen
verfügt, kann man oft nur spekulieren wie alle Teilaspekte tatsächlich
miteinander in Verbindung stehen.
Die Wahrheit erfährt
man wirklich erst gegen Ende eines jeden Bandes.
Das Buch
"Böser
Wolf" ist der sechste Band der Reihe und beginnt mit einer Szene, in der
ein Kindesmissbrauch angedeutet wird. Für Pia und Oliver geht es aber zunächst
erst einmal um die Leiche einer 16-Jährigen, die aus dem Main gezogen wurde.
Man hat sie auf sehr grausame Weise misshandelt und ermordet. Allerdings wird
sie nicht vermisst und aufgrund des schlechten Zahnstatus ist es nicht möglich
sie zu identifizieren. Neben ihr wurde auch ein Junge gefunden. Dieser war zwar
sturzbetrunken, aber noch am Leben. Er scheint nur in den Fluss gefallen zu
sein und hat nichts mit dem toten Mädchen zu tun. Es handelt sich also um einen
reinen Zufall, der allerdings erst auf die Leiche aufmerksam gemacht hat.
Weitere Untersuchungen und öffentliche Aufrufe führen nicht zu neuen
Erkenntnissen. Das K11 tappt im Dunkeln und stürzt sich daher erst einmal in
einen neuen Fall. Eine Fernsehmoderatorin, die gerade an einem brisanten Thema
arbeitete, wird brutal überwältigt und ähnlich schwer misshandelt, wie das
aufgefundene Mädchen. handelt es sich etwa um denselben Täter?
Wie bereits erwähnt
gibt es auch in dem aktuellen Band eine Vielzahl von Handlungssträngen und
Personen. Das mag nicht jedem Leser gefallen, weil es eine gewisse Konzentration
und im weiteren Verlauf Kombinationsgabe erfordert. Ich finde diese Form aber
auch hier wieder sehr spannend, weil sie zum Mitdenken und Mitfiebern anregt.
Wer das Ermittlerduo aber noch nicht kennt und Angst vor zu vielen
Informationen hat, den kann ich trösten. Ganz sanft und irgendwie nebenbei
bekommen die Leser wichtige Informationen serviert, die für die Handlungen
relevant sind. Da dies eigentlich für alle Neuhaus-Bücher gilt, kann man auch
immer irgendwo in die Reihe einsteigen.
Hat man mehrere oder
sogar alle Bände in der Reihenfolge der Erscheinung gelesen, kann man mit einer
gewissen Freude feststellen, dass die Autorin ihren Stil immer wieder
verbessert. Die Teilgeschichten werden raffinierter miteinander verstrickt und
die sprachliche Qualität steigert sich von Buch zu Buch. Weiterhin habe ich
den Eindruck gewonnen, dass auch die Satzstruktur positiv überarbeitet wurde.
Hier haben sich anscheinend Autorin und Lektor(in) aufeinander zubewegt und
gemeinsam bei jedem neuen Text Verbesserungen erarbeitet. Für den Leser
bedeutet dies auch, dass der Lesefluss, welcher schon immer gut war, noch angenehmer wird. Alle
Aspekte zusammen sorgen für eine gesteigerte Spannung und eine Geschichte, die
sehr rund wirkt und den Leser rasch mitreißt.
Fazit: Absolute Leseempfehlung!
Das Buch packt einen von der ersten Seite an, lässt einen während der ganzen Lesezeit nicht mehr los und die Geschichte wabert noch
lange in dem Kopf des Lesers herum.
480 Seiten
€ 19,99 [D]
gebunden mit Schutzumschlag
€ 19,99 [D], € 20,60 [A], sFr 27,90
ISBN-13: 9783550080166
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