Mittwoch, 29. Juni 2011

Abstinenz

Einige von euch kennen ja das Problem SuB (Stapel ungelesener Bücher). Bei mir liegen sie nicht nur im Weg, sie passen auch optisch nicht in das Wohnzimmerkonzept. In meinem Haushalt werden nur gelesene Bücher ordentlich in das Regal gestellt. Ergo muss der SuB abgebaut werden damit das Wohnzimmer wieder vernünftig aussieht. Bei mir handelt es sich um ca. 80 Bücher, die gelesen werden wollen. Damit ich jemals dazu komme, habe ich mir selbst eine Abstinenzregel auferlegt:

Ich kaufe keine Bücher, ich bestelle keine Rezensionsexemplare, ich tausche erst einmal nicht mehr gegen Bücher, ich nehme nicht an Gewinnspielen teil und ich wünsche mir zu den kommenden Anlässen keine Bücher. 

Drückt mir die Daumen, dass ich es durchhalte! :-D

Und wer noch nicht mitbekommen hat, dass die liebe Klappentexterin Onlineautorin des Jahres geworden ist, kann die Juryentscheidung hier nachlesen:


Liebe Grüße
Charlene


P.S.: Morgen fahre ich übrigens für einige Tage weg, werde aber trotzdem etwas posten. Versprochen.

Diskussionsrunde: Don DeLillo, Der Omega-Punkt

Vor einigen Tagen habe ich das in der Überschrift erwähnte Buch beendet. Nun stehe ich etwas einsam in einer kleinen Ecke und würde gerne meine Gedanken nicht nur einseitig per Rezension mitteilen, sondern eine kleine Diskussionsrunde starten. Natürlich macht solch eine Diskussion nur Sinn, wenn auch andere das Buch gelesen haben.
Daher meine Frage:

Hat jemand von euch das Buch gelesen oder will es noch lesen? Und wenn ja, hättet ihr dann Lust an einer Gesprächsrunde (auch gerne kapitelweise) teilzunehmen?

Ich bin schon sehr gespannt auf eure Antworten!

Liebe Grüße
Charlene

Sonntag, 26. Juni 2011

Alan Bradley, Flavia de Luce. Mord im Gurkenbeet

- Ich spürte, wie die Antwort auf diese Frage bereits an dem Haken knabberte, den ich in mein Unbewusstes hinabgelassen hatte. Nicht so verbissen darauf starren, dachte ich, denk an etwas anderes, oder tu zumindest so. -

Seit 1955 wird in Großbritannien der Dagger Award an die besten Krimiautoren verliehen. Er kann als wichtigster und bekanntester Preis der Kriminalliteratur angesehen werden und wird in einer nicht festgelegten Anzahl von Kategorien vergeben. Die Preisgelder sind in den letzten Jahren in vielen Kategorien erheblich gesunken. Die Aufmerksamkeit, die mit der Auszeichnung einhergeht scheint jedoch noch zu steigen.
Den Debut Dagger erhalten seit 1998 Autoren, die bisher noch keine Werke veröffentlicht haben. Um an dem Wettbewerb teilnehmen zu können, muss ein Auszug eingereicht werden, der 3.000 Wörter nicht übersteigt. Alan Bradley reichte 2007 ein Kapitel von "Flavia de Luce. The sweetness at the bottom of the pie" ein und gewann auf Anhieb. Zwei Jahre später erschien das komplette Buch und wurde sofort ein Erfolg bei den Lesern. Für sein Debüt erhielt Bradley im Jahr 2010 den Arthur Ellis Award (Kanada) den Agatha Award (Amerika) und den Dilys Award (englischsprachiger Raum).
Was ist so besonders an den Geschichten, die sich Alan Bradley ausdenkt?

Inhalt:
Die Geschichte spielt zu Beginn der 50er Jahre auf dem in Mittelengland liegenden Gutshof Buckshaw. Flavia de Luce ist elf Jahre alt und bewohnt den Hof gemeinsam mit ihrem Vater, den beiden älteren Schwestern und dem Gärtner Dogger. Täglich schaut auch die Haushälterin Mrs. Mullett vorbei und versorgt die Familie mit beliebten und weniger beliebten Speisen.
Harriet, die Frau von Colonel de Luce und Mutter der drei Mädchen, ist vor einigen Jahren gestorben. Dieses Ereignis hat den Hausherr in eine tiefe Depression gestürzt, die ihn beim Aufstehen packt und noch nicht einmal in seinen Träumen frei gibt. Ein dunkler Schatten liegt über der Familie, der sich nur ein wenig abwendet, wenn eine neue Briefmarke erscheint und sich der Colonel in heller Aufregung befindet. 
Eines Tages wird ihm jedoch auf einem sehr ungewöhnlichen Weg eine Marke überbracht. Vor der Küchentür findet die Familie eine tote Schnepfe, auf deren Schnabel eine Briefmarke aufgespießt wurde. Colonel de Luce betrachtet sie und gerät nicht wie sonst in Verzückung, sondern scheint schockiert und ängstlich zu sein. Seltsam, so hat Flavia ihren Vater noch nie erlebt. Was steckt wohl dahinter? In der darauf folgenden Nacht hört sie ein Stimmengwirr und steigt aus ihrem Bett. Sie kann ein Streitgespräch zwischen ihrem Vater und einem fremden Mann belauschen. Doch gerade als es spannend wird und beide von einem Mord sprechen, taucht Dogger auf und schickt Flavia zurück in ihr Zimmer. Dogger, der sonst so verwirrt wirkt und manchmal wirres Zeug redet, scheint plötzlich sehr aufgebracht und wütend. Hat der Streit etwas mit der Briefmarke zu tun? Flavia begibt sich in ihr Zimmer und wirft vor lauter Wut ihr Grammophon an. Trotzdem fällt sie schließlich in einen unruhigen Schalf, der allerdings schon kurz vor vier Uhr beendet ist. Als sie kurz darauf in den Garten tritt, stolpert sie und landet bäuchlings auf dem nassen Boden direkt neben einem Mann, der gerade seinen letzten Atem aushaucht. "Vale!", röchelt er noch knapp. Es handelt sich um den Mann, der am Abend zuvor mit Mr. de Luce gestritten hat.

"Und dann diese absolute Stille. 
Ich würde gerne behaupten, dass ich mich gefürchtet hätte, aber das stimmt nicht. Ganz im Gegenteil. es war das mit Abstand Spannendste, was ich je erlebt hatte."
Flavia gibt Dogger Bescheid und die Polizei wird alamiert. Ein Inspektor erscheint mit seinen Kollegen und beginnt mit einer Untersuchung. War das ein Fehler? Flavia erkennt schnell, dass die Polizisten anscheinend etwas unfähig sind und beginnt daher mit ihren eigenen Ermittlungen. Die zum Spaß betriebenen Forschungen werden sehr schnell zu einer ernsten Tätigkeit, weil ihr Vater als Hauptverdächtiger verhaftet wird.
Kann ein elfjähriges Mädchen einen Mordfall aufklären?

Zu der Figurengestaltung:
Flavia ist kein normales elfjähriges Mädchen. Sehr schnell wird klar, dass sie ein besonderes chemisches Talent hat und hin und wieder mit Giften hantiert, die sie in ihrem eigenen Labor herstellt und anschließend an ihren Schwestern testet. Sie ist sehr pfiffig und wortgewandt. Doch manchmal blitzen Lücken in ihrem Verständnis auf, die dem Leser vor Augen führen, dass es sich um ein Kind handelt, welches zwar klug ist, aber bisher nur wenig Lebenserfahrung sammeln konnte.
Trotzdem zeichnet Alan Bradley ein sehr liebevolles Bild von Flavia und beleuchtet auch in Ansätzen ihr Gefühlsleben.
Dogger spielt in Flavias Leben eine sehr wichtige Rolle und ist ihr in manchen Momenten wichtiger als ihr Vater, der eher eingeigelt lebt und keine zärtliche Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hat. Man sollte diesbezüglich jedoch beachten, dass die Geschichte in den 50er Jahren spielt und somit andere Rollenbilder die Grundlage für die Beziehungen bilden. 
Der Colonel und Dogger sind über ein unsichtbares Band verbunden, dass im Krieg und aufgrund gemeinsamer Erfahrungen gesponnen wurde. Diese Erlebnisse sind auch für das sonderbare Verhalten Doggers verantwortlich. Er scheint manchmal mit Geistern zu sprechen oder interpretiert Situationen falsch. Heute würde man sagen, dass er an PTBS leidet.
Genauso wie der Inspektor, scheinen auch die anderen Figuren aus einem klassischen englischen Krimi entsprungen zu sein. Mich persönlich hat erstaunt wie gut Bradley diese Atmosphäre neu erzeugen konnte. Und damit sind wir auch schon bei dem nächsten Thema.

Stil und Sprache:
Der vom Autor abgesteckte Rahmen orientiert sich auf jeden Fall an Krimiklassikern. Das lässt sich sehr gut an den Figuren und den Haupthandlungen erkennen. Gleichzeitig stellt Bradley jedoch ein ungewöhnliches Mädchen in den Mittelpunkt und beschreibt die Ermittlungen aus ihrer Sicht. Dies wirkt dann wieder so modern, dass man sich beim Lesen manchmal fragt warum die Menschen so einen altmodischen Eindruck vermitteln. Ach ja, wir befinden uns ja in der Nachkriegszeit! Zudem sind manche Wendungen so sonderbar, das sie aus dem Klassikerkonzept ausbrechen. Sie wirken aber nie falsch oder konstruiert, da sie haargenau zu Flavias Charakter passen. In diesem Zusammenhang sollte man erwähnen, dass das elfjährige Mädchen auch wirklich im Mittelpunkt der Geschichte steht. Alles ist auf sie ausgerichtet und manche anderen Figuren erscheinen daher etwas schemenhaft.

Die Sprache des Textes wirkt nicht altbacken, sondern stellt einen guten Mittelweg zwischen den damaligen Ausdrucksformen und dem modernen Vokabular dar. Zudem ist der Satzbau recht unspektakulär und erlaubt so ein zügiges Lesen. Einzig die chemischen Details könnten ein paar Leser abschrecken. Flavias Weisheiten entschädigen jedoch für wenige langatmige Ausführungen.


Fazit: Ein ganz außergewöhnlicher Krimialroman mit einer Figur, die man nur lieben kann. Ich werde Flavia auf jeden Fall erneut begleiten.




Originaltitel: The Sweetness at the Bottom of the Pie
Originalverlag: Orion, London 2009
Aus dem Englischen von Gerald Jung, Katharina Orgaß

Deutsche Erstausgabe
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 384 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-7645-3027-3

€ 19,95 [D]
| € 20,60 [A] | CHF 30,90* (empf. VK-Preis)

Verlag:
Penhaligon


Link zur Autorenseite, Link zur Verlagsseite
Link zur Flavia-Seite
 


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Lesen Sie im Buch

Samstag, 25. Juni 2011

Ein schöner Blog-Award

Eigentlich freue ich mich ja immer am Freitag über das kommende Wochenende. Aber diesmal wurde mir der Tag noch mehr versüßt. Horrorbiene und Steppenwolf haben mir einen Award verliehen!

Dankeschön! Mit der Annahme des Awards erkennt man die folgenden Regeln an:
1. Freu dich über diesen Award. Das mache ich auf jeden Fall
2. Beantworte die fünf folgenden Fragen.(sieh unten)
3. Gib den Award an mindestens einen, aber höchstens drei Buchblogger weiter. 
Merke: Dieser Award soll nur an Blogs weitergegeben werden, die sich mit Büchern beschäftigen!
4. Poste den Link zu deinem Award-Post als Kommentar an den, der dir den Award verliehen hat und an den/die, dem/denen du den Award weitergegeben hast.

Hier kommen die fünf Fragen:
1. Welches ist dein Lieblingsbuch und warum?
Ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Lieblingsbuch habe. Es ist eher so, dass ich mit einigen Werken Geschichten oder Lebensabschnitte verbinde. Begeisterung für die Literatur habe ich dank Hermann Hesse entwickelt. Die besten historischen Jugendromane schreiben Klaus Kordon und Mirjam Pressler. Das ist wirklich schwer. Dann wähle ich jetzt einfach das Buch, das mich  nachhaltig beeindruckt hat:
Herta Müller, Die Atemschaukel

2. Wie viele Bücher besitzt du momentan und wie viele davon hast du schon gelesen?
Da füge ich jetzt einfach mal meine Frage vom letzten Award ein :o)
Puh, das ist schwer zu sagen. Wenn ich die gelesenen belletristischen Werke nehme, sind es knapp 300. Dazu kommen noch einmal ca. 100 Bücher aus dem historischen Bereich. Dann gibt es aber auch noch Comic, Geschenkbücher, Bildbände, biologische Werke und natürlich Kinderbücher. Insgesamt werden es wohl an die 600 sein. (Nachtrag: Plus ca. 50 SuB-Titel)

3. Wieso bloggst du über Bücher?
Ich habe immer mal wieder bei vorablesen mitgemacht. Dort habe ich Ailis kennen gelernt und ihre Blog-Arbeit sehr bewundert. Da ich Zeit und Lust hatte, habe ich eine blogspot-Seite eingerichtet und dort meine vorablesen-Rezensionen eingestellt. Nach und nach hat es sich dann ergeben, dass ich einfach alle gelesenen Bücher rezensiert habe.
Ich sehe das Bloggen nicht als große journalistische Tätigkeit. Ich möchte einfach berichten was ich gelesen habe und mich mit anderen darüber austauschen. Und manchmal schreibe ich auch über meine Näharbeiten, die für Bücher gedacht sind. Ein wirkliches Ziel oder einen hohen Anspruch habe ich aber nicht. D.h. Leute, die meine Themen uninteressant finden brauchen ja nicht auf die Seite zu gehen. Ich versuche sie auch nicht zu umwerben. 
Über alle anderen freue mich und pflege die entstandenen "Freundschaften".

4. Welche Genres hast du bisher noch nicht gelesen?
Ich glaube es gibt nichts, was ich noch nicht gelesen habe. Aber ich weiß, dass "Frauenliteratur", also Liebesromane wirklich gar nichts für mich sind.

5. Welchen Buchcharakter würdest du im "realen Leben" kennen lernen wollen?
Alle Charaktere aus den Zamonien-Büchern :-D

Ich verleihe den Award an: Dyabollo !!!

Donnerstag, 23. Juni 2011

Eine Rezension für Eichborn

Einige von euch haben es wahrscheinlich mitbekommen. Seit einem halben Jahr gibt es immer wieder Meldungen aus dem Eichborn-Verlag, die eine Übernahme durch den Aufbau Verlag betreffen. Mal heißt es, dass der Verlag nach Berlin zieht und dann wieder nicht. Auf jeden Fall wurde 35 von 48 Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt. Am 16. Juni platzte dann eine richtig große Bombe. Da das Sanierungskonzept (inklusive Umzug nach Berlin) nicht aufgegriffen wurde, stellte der Mehrheitsaktionär einen Insolvenzantrag. Damit ist auch die Fusion mit dem Aufbau Verlag geplatzt und die 13 Mitarbeiter, die per Änderungskündigung nach Berlin ziehen sollten, verbleiben bei Eichborn.
Gestern konnte man dann auf buchreport.de (http://www.buchreport.de/nachrichten/verlage/verlage_nachricht/datum/0/0/0/mitarbeiter-sind-hoch-motiviert.htm) folgende Meldung lesen:

„Hoch motivierte Mitarbeiter“
Rund eine Woche, nachdem der Vorstand von Eichborn Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt hat, sendet der vorläufige Insolvenzverwalter Holger Lessing optimistische Signale. Der Geschäftsbetrieb werde uneingeschränkt weitergeführt, sämtliche Vertragspartner, mit denen der Verlag weiterarbeite, erhielten Zahlungszusagen. Außerdem seien die Mitarbeiter hoch motiviert.

Lessing erklärt außerdem, dass alle Bestellungen bearbeitet und von LKG an den Buchhandel ausgeliefert würden. Ebenso werde das Herbstprogramm – wie in der Vertriebskooperation mit dem Aufbau Verlag vereinbart – seit Anfang Juni von den Verlagsvertretern im Buchhandel vorgestellt und wie angekündigt erscheinen.
„Insbesondere die nach dem Insolvenzantrag eingegangenen Bestellungen von Großbuchhandlungen bestätigen mir das Vertrauen der Branche in den Eichborn Verlag“, sagt der vorläufige Insolvenzverwalter. „Damit sehe ich sehr gute Chancen, dass Eichborn erfolgreich saniert werden kann.“

Auch ich habe in den letzten Monaten die Mitarbeiter als sehr motiviert kennen gelernt. Da man die Zahlen, und die damit in den letzten Jahren eingefahreren Verluste des Verlages nicht ändern kann, einige Blogger aber trotzdem ein Zeichen setzen wollen, hat die Bibliophilin eine tolle Aktion ins Leben gerufen. Wir wollen den Mitarbeitern von Eichborn ein großes DANKE schicken. 
Hierfür rezensieren wir Eichborn-Bücher oder posten alte Rezensionen noch einmal. Dies führt auch dazu, dass man einen Blick in das Verlagsprogramm erhält. Vielfach wurde Eichbron ja vorgeworfen kein Profil zu haben, aber vielleicht ist das gerade die Stärke des Verlags. Das könnt nur ihr als Leser und Käufer der Bücher entscheiden.
 
 Mark Watson, Elf Leben
- Menschen mit Problemen haben sich schon immer instinktiv an Xavier gewandt, oder er hat eine zufällige Anziehungskraft auf sie ausgeübt. Er ist der Typ Mensch, der sich immer die Sorgen des Taxifahrers anhören muss oder mitfühlend nickt, wenn ihm ein Fremder im Aufzug plötzlich wortreich sein Herz ausschüttet. Vielleicht hilft es, dass Frauen ihn gut aussehend finden (...) -
 
Sicherlich hat jeder schon einmal irgendetwas von dem so genannten Schmetterlingseffekt gehört. Kurz und sehr vereinfacht gesprochen beschreibt der Effekt die Auswirkungen minimaler Veränderungen. Wenn an den Ausgangsbedingungen eines Systems Abweichungen vorgenommen werden, kann dies immense Folgen haben.

Mark Watson beschreibt in seinem Werk eine Handlung und ihren Effekt auf elf ausgewählte Personen. Im Mittelpunkt steht dabei Xavier, der eigentlich Chris heißt und vor einigen Jahren seine Heimat Australien verlassen hat. Er arbeitet als Moderator in einem Londoner Radiosender. Gemeinsam mit seinem Freund Murray bestreitet er die Nachtschicht. Dabei nutzt er seine natürlichen Beraterfähigkeiten und hilft frustrierten Menschen semiprofessionell ihre persönlichen Täler zu überwinden. Doch was sein eigenes Problem ist, verschweigt er eine ganze Weile. 
Eines Tages setzt er unbewusst eine Handlungskette in Gang, die elf Menschen und ihre Schicksale miteinander verknüpft. Gleichzeitig läuft aber auch sein eigenes Leben weiter. Er sucht eine Partnerin und findet eine Putzfrau. Er unterstützt seinen Kollegen und Freund, der ein Stotterproblem hat und aus der Sendung gedrängt werden soll. Und er denkt über seine eigene Vergangenheit, seine Fehler und seine Chancen nach. 

Watson hat mit Hilfe einer leichten und angenehmen Sprache, die trotzdem einen gewissen Anspruch hat, ein Potpourri an wundersamen Lebensgeschichten geschaffen. Jede einzelne Begebenheit amüsiert und stimmt in anderen Momenten wieder nachdenklich. Die Figuren werden, trotz ihrer teilweisen kurzen Auftritte, liebevoll beschrieben. Sie erfüllen sicherlich auch das ein oder andere Klischee, was aber aus meiner Sicht kein schlechter Kunstgriff ist. Sehr erfreut haben mich die kleinen Ausblicke. Ich liebe es zu erfahren was eine Person zwanzig Jahre später macht. Ein Nebensatz reicht dafür aber auch vollkommen aus.  Man kann sagen, dass Watson kein Wort zu viel, aber auch kein Wort zu wenig benutzt. Er unterhält, er regt an und er lässt den Leser nicht so schnell los. Nimmt man dieses Buch wirklich ernst, muss man anschließend sich selbst hinterfragen.

Fazit: Ein wirklich unterhaltsames Buch, das trotz Humor zum Nachdenken anregt.

Mittwoch, 22. Juni 2011

Caroline Vermalle, Denn das Glück ist eine Reise

- Er kannte sie nicht, und das war ihm auch herzlich egal. Sie schien nämlich nicht einfach zu sein. Außerdem war sie wie ein Frosch im Weihwasserbecken; sie lebte sozusagen in der Kirche, was sie sehr von Georges unterschied. - 

Man sitzt in einem Café und träumt vor sich hin. Doch plötzlich nimmt man den Geruch eines wundervollen Parfüms wahr. Man dreht sich um und sieht in seine blauen Augen, beobachtet seine Gestik, hört seine angenehme weiche Stimme und kann sich nicht mehr abwenden. Zack! Schon ist man irgendwie ein bisschen verliebt.
Bei bibliophilen Menschen ist das natürlich ein bisschen anders:
Man träumt in einem Buchladen vor sich hin und streicht sanft über die Buchrücken. Plötzlich bleibt der Finger auf einem wunderbaren Titel kleben, der ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Das Buch wird herausgezogen und der Umschlag schmeichelt den Augen. Ganz zaghaft wird das Buch geöffnet, der Geruch wird eingesogen und sorgt für das Aufkommen wundervoller Erinnerungen. Nun stellt sich die Frage, ob man den nächsten Schritt wagen sollte. Soll man auf die Geschichte zugehen und die ersten Sätze lesen?
Wenn es sich bei dem Buch um "Denn das Glück ist eine Reise" handeln sollte, kann ich nur eins Raten: Mit dem Lesen anfangen und nicht mehr aufhören, bevor das letzte Wort mit einem Echo im Kopf verhallt ist.
Ich habe mich auf den ersten Seiten in das Buch verliebt und habe alle Phasen einer Beziehung gemeinsam mit ihm durchlebt. Wir haben uns angenähert, sind zusammengewachsen, waren unzertrennlich. Doch dann zeichnete sich am Horizont schon ein Abschied an. Ich war sehr traurig und ein bisschen wütend, dass es so schnell vorbei sein sollte. Hätten wir nicht noch viele schöne Stunden miteinander verbringen können?

Inhalt:
Die Geschichte, die mich so begeistert hat, handelt von zwei französischen Männern, die einmal die Tour de France-Strecke abfahren wollen. Georges ist 83 Jahre alt und sein Nachbar Charles bringt es auf stattliche 76 Jahre. Beide haben mit diversen Krankheiten zu kämpfen und natürlich sind sie keine jungen Profisportler. Daher kauft Georges für ihre Reise einen neuen Renault inklusive Navigationssystem. Seit Monaten haben die beiden die Etappen bis in das kleinste Detail geplant, die Hotels sind gebucht und Besuche bei Familienmitgliedern finden auch noch Platz. Doch wirklich wichtig ist die absolute Geheimhaltung. Charles Familie ist zwar in alle Pläne eingeweiht, aber Georges Tochter, die ihn seiner Meinung nach immer in Watte packt, darf auf keinen Fall etwas erfahren. Sie befindet sich für einige Zeit in Peru und gibt ihrem Vater damit ungewollt die Gelegenheit seinen Traum zu erfüllen. Plötzlich meldet sich jedoch Adèle bei ihrem Großvater Georges und bittet um einen täglichen Anruf bis ihre Mutter aus dem Urlaub zurückkehrt. Zehn Jahre hatten beide nur sehr wenig Kontakt miteinander und plötzlich ruft sie an und bringt die gesamte Planung durcheinander. Wenn Adèle anruft und niemand da ist, würde sie sich schnell Gedanken machen und ihre Mutter anrufen. Im letzten Moment hat Charles die rettende Idee und installiert eine Rufumleitung auf Geroges' Handy. Das Abenteuer kann beginnen!

Sprache/Stil:
Caroline Vermalle hat eine Geschichte geschrieben, die auf den ersten Blick leicht wie ein Schmetterling vor der Nase des Lesers tanzt. Die Struktur der einzelnen Sätze ist einfach und bedingt durch die Satzlänge stellt sich schnell ein guter Lesefluss ein. Beschreibungen der Umgebung erfolgen nur sehr sparsam und wirken eher wie Bleistiftzeichnungen. Die Protagonisten werden nicht eindringlich, aber sehr liebevoll und behutsam dargestellt.
Diese Dinge, die von einigen Kritikern vielleicht als Oberflächlichkeit angesehen werden, gehören für mich zu einer gewissen Taktik. Die Leichtigkeit legt sich über die ernsten Themen, über die folgenreichen Gedanken der Figuren und führt dazu, dass das Herz des Lesers immer leicht bleibt. Die Gedanken von Georges, Charles und Adèle berühren in jeder Sekunde und sind der Kern der Handlung. Es ist eigentlich völlig egal wie die einzelnen Orte auf der Etappe aussehen oder welche Sehenswürdigkeiten betrachtet werden. Ebenso ist es unwichtig in welchen Hotels die beiden Männer übernachten. Wichtig ist allein was in ihren Herzen und Köpfen vorgeht. Und genau das kann Vermalle wunderbar in klare Wörter kleiden, die in berührende Lebensweisheiten münden. Zudem gibt sie der Geschichte immer wieder sehr natürliche und nachvollziehbare Wendungen, die den Leser mitreißen.

Fazit: Ich habe gelacht, nachgedacht und geweint. Ein wundervolles, wenn auch nicht typisch französisches Buch, das ich nur empfehlen kann.


EUR 10,00
Downloadpreis: 8,49 EUR
Bastei Lübbe
Hardcover, 224 Seiten
Ersterscheinung: 13.04.2011
ISBN: 978-3-431-03835-4



Mein Dank geht an den Verlag und an: