Dienstag, 7. Dezember 2010

Nele Neuhaus, Schneewittchen muss sterben

So weiß wie Schnee,
so rot wie Blut
und so schwarz wie Ebenholz

Zehn Jahre Gefängnis. Zehn Jahre lang jeden Tag die Frage, ob man dieses schreckliche Verbrechen wirklich begangen hat. Und immer wieder der verzweifelte Versuch sich an die Nacht zu erinnern.
Tobias Sartorius war ein junger Mann, der in eine erfolgreiche Zukunft blickte. Er hatte sein Abitur mit 1,1 abgeschlossen, wollte Medizin studieren und war ein absoluter Mädchenschwarm. Mit Stefanie, für die er sogar seine vorangegangene Beziehung beendet hatte, war er sehr glücklich und träumte von einem gemeinsamen Leben mit ihr. Doch eine Nacht veränderte alles. Seine Freundin machte mit ihm Schluss. Darüber gerieten beide später in einen Streit, bei dem auch seine Ex-Freundin anwesend war. Tobias soll so wütend gewesen sein, dass er beide Mädchen umgebracht hat. Er selbst kann sich daran jedoch nicht erinnern. In einem Indizienprozess wurde er, obwohl keine Leichen entdeckt wurden, schuldig gesprochenund zu zehn Jahren Haft verurteilt. 
Nachdem er seine Strafe abgesessen hat, kehrt er wieder in sein Heimatdorf zurück. Dort muss er zunächst feststellen, dass seine Eltern mittlerweile geschieden sind und sein Vater den Gasthof aufgeben musste. Zudem stößt er fast überall im Dorf auf Ablehnung. Dabei bleibt es aber nicht. Er wird beschimpft, seine Familie wird gemieden und das Grundstück mit verachtenden Parolen beschmiert. 
Als Tobias Mutter von einer Brücke gestoßen wird und schwerverletzt überlebt, beginnt Pia Kirchhoff zu ermitteln und findet Spuren, die auf einen Zusammenhang mit Tobias Tat hindeuten. Gemeinsam mit ihrem Chef Oliver von Bodenstein und den anderen Kollegen stößt sie auf Unklarheiten in den alten Akten und beginnt noch einmal neu zu ermitteln. Der Widerstand innerhalb des Dorfes ist diesbezüglich enorm. Alle scheinen etwas zu wissen, wollen aber nichts sagen.
Was ist damals wirklich passiert? Handeln Freunde immer uneigennützig? Und warum verschwindet nach Tobias Rückkehr ein weiteres Mädchen?

Diese und andere Fragen klären die Ermittler des K11 im Laufe der Handlung. Auch wenn sie dafür manchmal Umwege in Kauf nehmen müssen. Dass die Spurensuche dabei nicht nur spannend ist, sondern auch genüsslich gelesen werden kann, ist Nele Neuhaus zu verdanken. Für mich war es der erste Roman der Autorin und ich kann mich nur vor ihr verneigen. Ich habe mich auf keiner Seite gelangweilt, die Spannung ist nie abgebrochen und die Figuren werden einfach hervorragend beschrieben. Keine Person bleibt unscharf oder wird nur eindimensional beschrieben. Jede/jeder hat ein Berufs- und ein Privatleben, erlebt schöne und schreckliche Momente, zweifelt und ist erfolgreich. Dabei sind die Dialoge hervorragend konzipiert und wirken nie konstruiert. Wut, Trauer und Humor werden aber nicht nur über die gesprochenen Worte vermittelt, sondern auch über die Haltungen der Personen, ihre Gedanken und ihre Handlungen. Die Sprache ist dabei nicht gestelzt oder platt. Sie ist klar, verständlich und einfach stimmig. Man benötigt außerdem kein Vorwissen. Alles ist schnell nachvollziehbar und entsprechende Erklärungen werden in den Text eingebettet ohne konstruiert zu wirken. Zu der guten sprachlichen Qualität gesellt sich ein wunderbares Szenario, das immer wieder unerwartete aber nicht unverständliche Wendungen enthält. Personen spielen ein falsches Spiel oder gleich mehrere Rollen. Einige brechen unter Druck zusammen, andere fühlen sich zu unlogischen Handlungen hingerissen. Aber trotzdem passt alles zusammen. Wunderbar!

Fazit: Ich möchte "Schneewittchen muss sterben" an dieser Stelle unbedingt empfehlen. Es handelt sich dabei um einen wunderbaren Kriminalroman, der ohne große Brutalität auskommt und bis zum Schluss spannend bleibt.



544 Seiten
Kartoniert
€ 9,95 [D], € 10,30 [A], sFr 16,90
ISBN-10: 3548609821
ISBN-13: 9783548609829



4 Kommentare:

  1. Nach Deiner tollen Rezension wollte ich in das Buch reinschauen, bzw. reinlesen. Und stell Dir vor - wir haben es nicht am Lager!
    Nun warte ich auf ein Flohmarkt, vielleicht finde ich das Buch mal... (ich darf im Moment keine Bücher kaufen ;-) )

    Herzlichst
    Bibliophilin

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  2. Da staune ich aber. Auf der Verlagsseite gibt es aber zumindest eine Leseprobe.
    Und das mit dem Kaufen von Büchern kenne ich :-)

    Liebe Grüße
    Charlene

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  3. Ich erinnere mich noch, dass ich die Leseprobe damals bei vorablesen recht gut fand, wenn ich auch nicht sicher war, ob ich diese emotionale Aufgeladenheit im Dorf auf Dauer so ertragen würde - Ungerechtigkeiten brodeln immer in mir. :-D Aber deine Rezension macht Lust auf das Buch!

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  4. Ich muss sagen, dass das ging. Bei Rattentanz von Tietz habe ich mich die ganze Zeit nur über einzelne Personen und ihre Handlungen aufgeregt. Ich fand viele Dinge ungerecht. Bei Schneewittchen muss sterben stehen diese Ungerechtigkeiten aber nicht so sehr im Vordergrund. Sie ärgern einen, aber dann geht die Handlung auch schon fix weiter und man kann sich far nicht daraüber aufregen :-)

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