Donnerstag, 1. November 2012

Peter Koebel, Fischmarie

Marie hat aus ihrem ganz durchschnittlichen Leben in einer typischen Kleinstadt etwas völlig Anderes und teilweise sehr Aufregendes gemacht. Dass sie aber eines Tages in einem Verhörraum sitzen wird, weil sie auf der Frankfurter Buchmesse einen Verleger tot aufgefunden hat, war nicht vorhersehbar. Und jetzt hat sie dem Polizisten auch noch den Ausweis gegeben, der sie als Gudrun Baader identifiziert. Wenn der Polizist da nicht stutzig wird, muss er ein ganz besonders dummes Exemplar seiner Gattung sein. Und es wird auch nicht lange dauern bis er auf die Beziehung beziehungsweise das Arrangement zu sprechen kommt, welches Marie und der Verleger hatten. Ihre Situation ist sicherlich nicht einfach, aber bisher hat sie so viele Klippen umschiffen müssen, dass sie an dieser jetzt wohl nicht zerschellen wird.
Aber wie kam sie überhaupt in diese Situation und welche dunklen Geheimnisse möchte sie lieber nicht aufdecken?

Die Geschichte der sehr schlagkräftigen Frau, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens wandelte und auch kein Kind von Traurigkeit ist, wird in zwei verschiedenen Strängen erzählt. Da gibt es zunächst die Vorkommnisse rund um den Leichenfund und die Befragung. Hier agiert sie sehr humorvoll und selbstbewusst, spricht aber mehr als einmal Dinge aus, die man in solch einer Situation lieber nur denken sollte. So manövriert sie sich ab und an mit ihren Kommentaren, die spitz wie eine Nadel sind, ins Abseits. Dabei bleibt sie allerdings bei der Wahrheit und nimmt einige Aspekte des Verlagswesens aufs Korn. Für Personen, die sich direkt angesprochen fühlen mag die Figur daher vielleicht etwas arrogant wirken. Für Leser, die den Literaturbetrieb aber gerade so kennengelernt haben oder "Laien" sind, ist es einfach nur amüsant ihren Analysen zu lauschen. Sie kann sich bissige Kommentare auch erlauben, weil sie nicht Teil des ganzen Rummels ist. Marie ist sozusagen ein kritischer Zuschauer, der ja nicht auf die Gunst der Schauspieler angewiesen ist und daher seine ungeschönte Meinung abgeben kann.
In einem zweiten Erzählstrang berichtet die Protagonistin von ihrer Sozialisation und somit den wichtigsten Punkten ihrer Biografie. Sie zeichnet damit den Weg nach, den sie bis zum Zeitpunkt der Buchmesse gegangen ist.

Dieser kurze Überblick vermag jetzt noch nicht recht zu zeigen, dass es sich um eine runde und sehr witzige Geschichte handelt. Die wichtigste Zutat dieses Werkes habe ich nämlich noch nicht genannt. Verantwortlich für den letztendlich durchweg humorvollen Text, der den Literaturbetrieb auf der einen Seite mit einem Augenzwinkern betrachtet und auf der anderen Seite aus dem dann doch nicht so typischen Leben einer interessanten Frau berichtet, ist die junge und frische Sprache des Autors. Peter Koebel schafft es in dem Leser ein sehr ambivalentes Gefühl auszulösen.  Denn durch das Springen zwischen den Erzählebenen entsteht auch ein ständiges Hin und Her für den Leser. Gerade lacht man sich noch über einen schnippischen Kommentar schlapp und schon befindet man sich wieder in der tiefsten Tristesse, die nicht zu enden scheint. Hinzu kommt, dass die Geschichte einen geradezu perfekten Spannungsbogen beinhaltet, der den Leser am Zuklappen des Buches hindert. Man will nicht nur wissen, ob Marie jetzt den Verleger umgebracht hat. Nein, auch die Frage nach ihrer eigenen Geschichte treibt einen immer wieder um.

 Fazit: Ein kleiner feiner Roman voller Witz und Charme. Unbedingt lesen!


Roman
ISBN: 978-3-86286-024-1

184 Seiten
Hochwertige Klappenbroschur
12,80€ (D)     

Gerade erschienen!



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