- "Nö." Lale schüttelte energisch den Kopf. Dann warf sie einen Blick auf den Zettel. "Das macht Inge." "Inge?" fragte Mandy. "Wer ist Inge?" "Ein Akronym", erklärte Lale. "Das steht für 'Interne gewisse Ermittlungen' oder so." Sie kniff die Augen zusammen. Wenn sie ihre Schrift doch nur hätte lesen können. "Klar, Inge - 'Indärne Gorrubtions-Ermittlungen'." Mandy kicherte. -
In den letzten Jahren erreichte die Literaturwelt eine Art Schwemme von Lokalkrimis, die sprachliche und charakterliche Besonderheiten einer Region besonders herausstellten. Ganz subjektiv hatte man den Eindruck, dass die Kriminalität südlich des so genannten Weißwurstäquators häufiger einen Anlass zum Schreiben bietet. Oder ist es eher umgekehrt und die Ruhe bringt die Autoren zum Fantasieren? Genau klären lässt sich diese Frage wahrscheinlich nicht. Aber auch Mitteldeutschland bietet wahre Begebenheiten, die Krimiautoren anregen.
Bereits im Oktober 2008 erschien von Christine Sylvester der Roman "Muschebubu", dessen Handlung in Dresden angesiedelt ist und einen schönen Schuss Lokalkolorit enthält.
Inhalt
Die Polizeikommissarin Lale Petersen musste notgedrungen an einem Seminar zum Thema Korruption teilnehmen. Der Ausdruck "öde" kann nicht ansatzweise beschreiben, wie das Seminar ausgesehen hat. Nun geht es endlich mit dem Zug zurück nach Dresden. Doch die Freude währt nicht lang. Lale sitzt eine Frau gegenüber, die ohne Punkt und Komma über ihr Leben und ihre Familie spricht. Wenn sie doch nur für ein paar Minuten den Mund halten würde! Da bleibt der Polizistin nichts anderes übrig als ganz dezent in den Schlaf zu entschwinden. Ruhe. Entspannung. "Fahrkartenkontrolle!" Das war es mit den schönen Träumen und der kuscheligen Wärme. Chaotisch wie Lale ist, findet sie natürlich ihre Fahrkarte nicht sofort und der Kontrolleur will auch noch wissen, was mit ihrer Begleitung ist. Na, die Dame ist wohl durch ihre eigene Erzählung eingeschlafen. Als Lale sie wecken will, stellt sie allerdings fest, dass die Frau nicht nur kurzfristig verstummt ist. Sie ist eindeutig tot. Ein Mord oder ein Herzinfarkt? Und das direkt neben der Kommissarin!
Somit ist Lale noch nicht einmal zurück in der Heimat und hat schon den ersten neuen Fall auf dem Tisch. So einfach ist die ganze Geschichte aber nicht. Ist sie nicht befangen oder vielleicht sogar selbst verdächtig? Die taffe Frau schlägt sich durch und beginnt zu ermitteln. Dabei stößt sie schnell auf Stasi-Verbrechen, Prostitution, Drogenhandel und Korruption, die nicht nur in die Dresdner Gesellschaft hineinwirken.
Sprache, Charaktere, Handlung
Lale Petersen ist dem Leser sofort sympathisch. Sie hat einen sehr direkten Humor, der durch ihr Leben in Hamburg gekennzeichnet ist. Zudem ist Sarkasmus so etwas wie ihr zweiter Vorname. Für jeden Gesprächspartner und für jede Situation hat sie eine leicht schnippische Antwort parat, die beim Lesen ein Lächeln erzwingt. Nach einer bestimmten Zeit fragt man sich allerdings, ob die Figur dieses Verhalten durchhalten kann oder ob sie irgendwann zusammenbricht. Und vor allen Dingen stellt sich die Frage auch in gewisser Weise dem Leser. Kann er diese Art und Weise durchhalten oder bricht er irgendwann zusammen, weil er diese ständige gute Laune nicht mehr ertragen kann? Ich habe durchgehalten und ich muss sagen, dass ich mit Lales Eigenarten sehr gut ausgekommen bin. Meine ersten leisen Zweifel wurden mit jeder Seite kleiner. Die Figur entwickelt sich ganz nebenbei mit der Geschichte. Sie ist mit ihrer Sprache und ihrer Haltung so gut in das Beziehungsgeflecht und die Handlungen eingebunden, dass man keine Ecken und Kanten erkennen kann. Es passt einfach alles. Genauso ist es mit den anderen Charakteren und der Handlung. Jede Wendung und jedes Auftauchen einer neuen Persönlichkeit passt in den Handlungsrahmen und man fragt sich nicht einmal, wie es jetzt zu diesem Konflikt oder jener Lösung kommen konnte. Gleichzeitig ist die Geschichte aber weder langweilig noch altbacken. Manche Leser denken vielleicht, dass gerade mit dem Thema Stasi-Verbrechen Stereotype angesprochen werden und eine immer wieder gleiche Geschichte erzählt wird. Christine Sylvester hat es aber geschafft ganz offensichtliche und historisch bedingte Aspekte in aktuelle Themen und reale Verbrechen einzubetten. Dieses Zusammenspiel entwickelt in der fiktiven Handlung eine ganz eigene Dynamik, die Spannung erzeugt und ein leichtes Lesen ermöglicht. Letztendlich ist aber auch die Sprache sehr angenehm und nicht zu stark von lokalen Gepflogenheiten geprägt. Die meisten Figuren verfallen eher selten in ihre lokale Sprache. Häufig ist dies der Fall, wenn sie selbst nervös sind und unter Anspannung stehen. Und dies ist doch eine Situation, die wir alle kennen. Man benötigt also kein Handbuch der sächsischen Sprache, um die Handlung komplett nachvollziehen zu können. Auch abseits der Besonderheiten ist die Geschichte sehr leicht verständlich und in einem eher freundschaftlichen Ton geschrieben. Es geht nicht so sehr darum die Grausamkeiten der einzelnen Verbrechen hervorzuheben. Der Leser wird eher gemütlich in die Umgebung eingebettet, in dem er freundschaftlich empfangen wird und man auf einer Ebene kommuniziert. Wer also in hohen sprachlichen Sphären schweben will oder blutige Details liebt, sollte die Finger von dem Roman lassen. Wer sich gut amüsieren will und Spaß am miträtseln hat, der ist hier genau richtig.
Fazit
Ein Roman, dem aus meiner Sicht viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde und wird. Schließlich handelt es sich hierbei um eine wunderbare Kriminalgeschichte mit einem kleinen Hauch von Lokalkolorit, die zum Verschlingen einlädt. Absolut empfehlenswert!
P.S.: "Muschebubu" steht übrigens eigentlich für ein eher schummriges Licht, das eine heimelige Atmosphäre erzeugt. Aber auch Situationen, die man nicht ganz überblicken kann oder Beziehungen, die nur in einem diffusen Licht erscheinen, werden damit umschrieben.
Nachtrag (geändert): Ich sehe gerade, dass Lale Petersen in einem neuen Roman ermittelt! Mehr erfahrt ihr hier.
Und da ich einen Hinweis bekommen habe: Muschebubu ist schon der zweite Fall für die Kommissarin. In "Barocke Engel" gibt sie ihren Dresdner Einstand. Mehr Information bekommt ihr hier.
352 Seiten
Format 11,5 x 18,7 cm | Paperback
10,90 Eur
ISBN 978-3-938916-13-1
Link zur Verlagsseite
Fazit
Ein Roman, dem aus meiner Sicht viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde und wird. Schließlich handelt es sich hierbei um eine wunderbare Kriminalgeschichte mit einem kleinen Hauch von Lokalkolorit, die zum Verschlingen einlädt. Absolut empfehlenswert!
P.S.: "Muschebubu" steht übrigens eigentlich für ein eher schummriges Licht, das eine heimelige Atmosphäre erzeugt. Aber auch Situationen, die man nicht ganz überblicken kann oder Beziehungen, die nur in einem diffusen Licht erscheinen, werden damit umschrieben.
Nachtrag (geändert): Ich sehe gerade, dass Lale Petersen in einem neuen Roman ermittelt! Mehr erfahrt ihr hier.
Und da ich einen Hinweis bekommen habe: Muschebubu ist schon der zweite Fall für die Kommissarin. In "Barocke Engel" gibt sie ihren Dresdner Einstand. Mehr Information bekommt ihr hier.
352 Seiten
Format 11,5 x 18,7 cm | Paperback
10,90 Eur
ISBN 978-3-938916-13-1
Link zur Verlagsseite
Hallo,
AntwortenLöschenich lese gerade:
Zitat "Nachtrag: Ich sehe gerade, dass Lale Petersen in einem zweiten Roman ermittelt! Mehr erfahrt ihr hier." ...
*Besserwisser-Modus EIN*
Ähm, Muschebubu ist schon Lales zweiter Fall ;-)
Davor gab es schon 'Barocke Engel' auch im Kahl Verlag erschienen ...
*Besserwisser-Modus AUS*
Ansonsten eine sehr schöne Buch-Besprechung, die mir aus der Seele spricht. Vielen Dank.
Liebe Grüße
ein Lale-Fan ;-)
Merci!!!! Ich habe die Informationen gleich überarbeitet. Und meine Wunschliste muss ich dann wohl auch überarbeiten :-)
AntwortenLöschenLG