Dienstag, 12. Oktober 2010

Christoph Scholder, Oktoberfest

'Er schnitt dem alten Mann in einer einzigen Bewegung die bloßliegende Kehle durch. (...) "O'zapft is'!", sagte der Besucher in unverkennbar bayrischem Dialekt.'

Schon das obige Zitat, welches aus dem Prolog stammt, stimmt den Leser darauf ein, dass es sich bei diesem Buch wirklich um einen Thriller handelt. Das erste Kapitel entführt den Leser allerdings zunächst in die ganz und gar harmlose Welt von Karl Romberg. Sein Aufstieg von einem einfachen, aber sehr talentierten Automechaniker zu einem der größten Spediteure, wird genauso beschrieben wie sein Privatleben. Auch sein zukünftiger Partner und bester Freund Werner Vogel tritt bereits in diesem Teil auf. In verschiedenen andere Handlungssträngen, die sich abwechseln und teilweise Geschehnisse beinhalten, die 20 Jahre zurückliegen, werden Waffenkäufe im großen Stil und Kampfhandlungen beschrieben. Bei den Beschreibungen der Kämpfe in Tschetschenien und Afghanistan stehen russische Eliteeinheiten im Mittelpunkt. Auch bei den Waffenkäufen im Kosovo und der Entgegennahme von Material in Bremen  treten immer wieder russische Männer als Handelnde auf.  Teilweise werden in diesen Erzählsträngen brutale Handlungen beschrieben, die eindeutig gegen internationales Kriegsrecht verstoßen, jedoch auch in der non-fiktionalen Welt umfangreich dokumentiert worden sind. Einen klaren Gegenpol dazu bildet der Aufstieg von Romberg und die private Situation von Werner Vogel. Er lernt auf einer Party seine Traumfrau kennen und startet mit ihr in eine gemeinsame Zukunft. Amelie ist Journalistin einer großen Boulevardzeitung und hat sich bisher eher mit Society-Themen beschäftigt. Die Party, auf der sich die beiden das erste Mal getroffen haben, wurde von Josef Hirschmoser organisiert. Er ist der Hauptlieferant für die Zelte auf dem Oktoberfest und somit eine Art inoffizieller König der Wiesn. Außerdem ist er in der Münchner-Schickeria kein Unbekannter. Vor dem Oktoberfest, dessen erfolgreicher Abschluss auf der Feier begossen wird, hatte er mit Romberg und Vogel einen sehr lukrativen Vertrag unterzeichnet. Die Spedition der beiden organisierte die Belieferung der Zelte und wird auch in Zukunft wieder mit Hirschmoser zusammen arbeiten.
Auf dem nächsten Oktoberfest treffen die meisten Personen aus den einzelnen Erzählungen aufeinander. Am zweiten Sonntag der Wiesn spielt jeder eine bestimmte Rolle in einem Horrorszenario, das sich am frühen Abend abspielt. 70.000 Menschen werden zu Geiseln russischer Elitesoldaten. Wer welche Rolle in dem Drama spielt, was die Soldaten wollen und ob alle Menschen gerettet werden können, scheint manchmal glasklar und rückt dann wieder in weite Ferne.

Der Debütroman von Christoph Scholder hat alles was ein guter Thriller benötigt. Er spart nicht an Brutalität, beschreibt sie aber in solch einer guten sprachlichen Form, dass sie nicht an ein Splatter-Movie erinnert. Er schafft es die Handlungen der Soldaten in allen Einzelheiten und mit dem gesamten Schrecken zu beschreiben. Gleichzeitig schwenkt er aber nach solchen Details immer wieder zu anderen Beobachtungen und Beschreibungen, die im klaren emotionalen Widerspruch dazu stehen und einen Ekel oder sogar ein Abstumpfen verhindern.
Zudem gibt es eine Hauptperson, die versucht die einzelnen Handlungsstränge miteinander zu verbinden, Informationen zu sammeln und Schlussfolgerungen zu ziehen. Natürlich ist diese Person mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Teilweise mögen diese Fähigkeiten einem kritischen Leser zu überzogen wirken. Aus meiner Sicht passen sie jedoch gut in die Geschichte und erlauben Wendungen, die man nicht vorausahnen konnte.
Scholder schafft es außerdem den politischen und militärischen Aspekt gut zu beleuchten. Allerdings kann es gerade hierbei vorkommen, dass dem Leser, der nicht militärisch bzw. waffentechnisch geschult ist, die Begriffe nur so um Kopf herumschwirren. Hier hätte ich mir mehr Erläuterungen gewünscht. Es reicht schon aus, wenn eine der Figuren in einem kurzen Satz erwähnt welche Zerstörungskraft die ein oder andere Waffe hat.
Allerdings treten diese kleinen Nachteile in den Hintergrund, wenn man beachtet, dass die Spannung bis zur letzten Seite anhält. Und gerade dies schaffen nur wenige Autoren.

Fazit: Ich kann Oktoberfest nur empfehlen. Das Buch ist spannend, in einer klaren und interessanten Sprache geschrieben und beinhaltet interessante Figuren. Wer zum Beispiel die Bücher von Daniel Silva mag, wird sein Gefallen an Scholders Werk finden.


Droemer 
640 Seiten
Preis EUR (D) 19,95  
ISBN3-426-19888-6  
ISBN 978-3-426-19888-9             Link zur Verlagsseite 

Foto und Infos von der Verlagsseite (s.o.)

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