Freitag, 17. September 2010

Justus Pfaue, Ein Paradies für alle

Inhalt:
In Deutschland gibt es wahrscheinlich nur wenige Menschen, die mit dem Namen Wertheim nichts verbinden. Allerdings kennen die meisten eher die Wertheim-Kette, welche nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Hierbei handelt es sich aber nur um die Nutzung des Namens Wertheim. Mit der eigentlichen Dynastie hatten diese Kaufhäuser nichts zu tun. Das erste Geschäft der Familie befand sich in Stralsund und wurde von Abraham Wertheim und seinem Bruder gemeinsam geleitet. Die beiden ältesten Kinder von Ida und Abraham Wertheim, Georg und Hugo, gingen 1871 nach Berlin und absolvierten in der Firma ihres Onkels eine kaufmännische Lehre. 1876 kehrten sie nach Stralsund zurück und unterstützten ihre Eltern bei dem Ausbau des kleinen Eckgeschäftes, das sie ein Jahr zuvor gegründet hatten. Damit begann der Siegeszug der Familie und ihrer Warenhäuser. Nach Stralsund folgte eine Geschäftsgründung in Rostock und anschließend ging es nach Berlin. Die Familie, und hier besonders die beiden ältesten Jungen, sorgten mit ihren frischen Ideen dafür, dass die Geschäfte erfolgreich liefen. Sie führten Festpreise ein, die Waren wurden ausgelegt und konnten von den Kunden eingehend betrachtet werden. Zudem wurde eine strikte Barzahlung verlangt und der Kunde erhielt die Möglichkeit, die Waren umzutauschen. Ein besonderer Schwerpunkt lag bei der nicht sehr zahlungskräftigen Kundschaft, die aber trotzdem das Gefühl bekommen sollte königlich behandelt worden zu sein. Der Spruch „Der Kund ist König“ wurde bei Wertheim streng beachtet. Um den Kunden preiswerte Ware bieten zu können, gleichzeitig aber einen ausreichenden Gewinn zu erzielen, war es nötig eine große Anzahl der Produkte zu verkaufen. Mit der Zeit kamen aber auch immer mehr zahlungskräftige Einkäufer und das Warensortiment änderte sich. So entwickelte sich Wertheim zu einem Geschäft, das für jeden etwas bot und jedem das Gefühl vermittelt genau richtig behandelt worden zu sein. Dafür sorgte auch die Architektur der Häuser, für die Alfred Messel zuständig gewesen ist. Für ihn war diese Arbeit gleichzeitig der Karrieredurchbruch. Probleme gab es aber mit den erstarkenden nationalsozialistischen Kräften. Um die Geschäfte weiterhin führen zu können, ließen sich fast alle Mitglieder der Wertheimfamilie taufen. Georg heiratete zudem eine Nicht-Jüdin. Trotzdem wurde er dazu gezwungen, seinen gesamten Besitz nach Hitlers Machtergreifung auf seine Frau zu übertragen. 1937 wurde auch Ursula Wertheim enteignet.

Justus Pfaue bearbeitet diese interessante Familiengeschichte, in dem er Georg als Hauptfigur auftreten lässt und seine Entwicklung im Zusammenhang mit der Firma Wertheim betrachtet. Ein Schwerpunkt liegt auf seiner Liebe zu Hanna Berger, seiner persönlichen Assistentin, die er nicht ehelichen darf. Der Roman beginnt mit einem Einstieg zu Beginn der 1930er Jahre. Georg ist der bekannteste Warenhausbesitzer und sein Geschäft kann sich leicht mit anderen ausländischen Konkurrenten messen. Doch die Gefahr der nationalsozialistischen Erstarkung wird erkennbar. Nach dieser Einführung geht der Autor zurück in das Jahr 1871, als Georg mit seinem Bruder Hugo nach Berlin ging. Ab diesem Zeitpunkt wird die Geschichte der Familie chronologisch erzählt und endet mit dem Tod von Georg.

Sprache und Stil:
Die Sprache ist recht einfach und verständlich gehalten. Dadurch kann der Text sehr zügig gelesen werden. Die Dialoge wirken sehr lebhaft und werden an manchen Stellen durch die Nutzung zeittypischer Worte aufgewertet. Die Charaktere werden zu einem großen Teil über ihr Handlungen beschrieben. Wirklich nah kommt man dabei als Leser aber nur Georg Wertheim und seiner großen Liebe Hanna. Dass das erste Kapitel fast schon am Ende des Betrachtungszeitraumes spielt und dann ein Sprung in die Vergangenheit erfolgt, erzeugt eine gewisse Spannung. Der Leser möchte wissen was passiert bis Georg und Hanna an diesem Punkt angelangt sind. Tauchen Widrigkeiten auf, möchte man unbedingt erfahren, wie diese gelöst werden.
Ein Manko ist in meinen Augen die nicht deutliche Vermischung von Realität und Fiktion. Einige Autoren nehmen sich nur wichtige Daten heraus und entwickeln eine fiktive Geschichte. Andere nehmen nur eine Figur und lassen sie völlig unabhängig ihres wahren Lebenslaufs agieren. Bei Justus Pfaue werden sehr viele Fakten genutzt. Das wäre kein Problem, wenn nur die Liebesgeschichte zwischen Georg und Hanna erfunden wäre. Aber in dem Text werden meiner Meinung nach Errungenschaften in einem Atemzug mit Georg Wertheim genannt, die man nicht ihm zusprechen kann. So ist dem Leser nicht mehr klar, ob es jetzt um den Roman-Georg oder die reale Figur geht. Stellt man sich von Beginn an darauf ein und sagt sich, dass es eine klar fiktive Geschichte ist, ist das kein Problem. Zudem müsste man sich noch einmal genauer das Buch von Erica Fischer und Simone Ladwig-Winters anschauen (E. Fischer & S. Ladwig-Winters, Die Wertheims. Geschichte einer Familie, Berlin, 2004.). Viele Gedankengängen erschienen mehr sehr ähnlich. So finde ich es schade, dass noch nicht einmal das Bucherwähnt wird. Hier lobe ich mir Robert Harris, der am Ende seiner Werke immer wichtige wissenschaftliche Literatur nennt, die er genutzt hat.

Fazit:
Ein ziemlich spannender und leicht verständlicher Roman, den man absolut empfehlen kann. Der Leser sollte sich aber von der Frage befreien, ob eine Handlung der Figuren fiktiv ist oder der Realität entspricht.

P.S.: Einige wenige Rechtschreibfehler haben den Lesegenuss an manchen Stellen gestört.



Gebunden
€ 19,95 [D], € 20,60 [A], sFr 33,90
ISBN-10: 3547711681
ISBN-13: 9783547711684 

Abbildung und Informationen von der Verlagsseite (s.o.)

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