Dienstag, 25. Januar 2011

Khaled Hosseini, Drachenläufer


- Ich sah ihn innerlich lächeln, ein Lächeln, das an den weiten Nachthimmel Kabuls erinnerte, an die Nächte, wenn die Pappeln zitterten und der Gesang der Grillen in den Gärten ertönte. -

Was wissen die meisten Menschen über Afghanistan? Welche Begriffe assoziieren sie mit diesem Land? Häufig werden wahrscheinlich die Worte Krieg, Taliban und Schari'a fallen. Doch wer kennt schon die Geschichte dieses Landes? Wer kennt den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten? Viele wissen wahrscheinlich noch nicht einmal wodurch diese Religionsgruppen sich auszeichnen.

Khaled Hosseini führt uns in die afghanische Welt zwischen 1975 und 2001 ein und erzählt die politischen und gesellschaftlichen Geschehnisse aus Sicht des zwölfjährigen Jungen Amir.
Er wurde 1963 geboren, gehört zur afghanischen Oberschicht und lebt mit seinem Vater in einem prunkvollen Haus. Zu seinem engeren Umfeld gehören der Angestellte Ali und sein Sohn Hassan. Da Amirs Mutter kurz nach der Geburt gestorben ist und Hassans Mutter kurz nach der Geburt verschwand, wurden beide von derselben Amme gesäugt. Sie wuchsen zusammen auf und sind, trotz aller Unterschiede, unzertrennlich. Obwohl sie wie Freunde wirken, ist doch immer eine soziale und religiöse Verschiedenheit erkennbar, die Amir sogar teilweise gegen den jungen Hausangestellten ausspielt. Trotzdem ist es oft Hassan, der Amir aus schwierigen Situationen heraushilft. Er ist es, der die prügelnden Nachbarjungen verscheucht und er ist es auch, der frei von intellektueller Verklärtheit vieles in Frage stellt, was für Amir selbstverständlich ist. Er bringt Amir zum Nachdenken, zum Lachen und würde alles für ihn tun. Doch dankbar ist dieser ihm dafür nicht. Letztendlich ist es sogar Amir, der Hassan aus einer lebensgefährlichen Situation befreien könnte. Doch er macht nichts anderes, als einfach stumm  zu bleiben. Seine Hilflosigkeit und die Ereignisse des Tages verfolgen Amir ein Leben lang. Sie beeinflussen eine Vielzahl seiner Entscheidungen und Handlungsweisen. Die Schuld, welche auf seinen Schultern lastet ist schier unerträglich. Hinzu kommen die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die alles auf den Kopf stellen. Amir flieht mit seinem Vater in die USA und versucht sein „altes“ Leben zu vergessen. Als erwachsener Mann muss er jedoch wieder in das land seiner Kindheit reisen. Er muss sich erinnern. Und er bekommt die Gelegenheit seine Schuld zu tilgen.

Hosseini erzählt Amirs Geschichte unglaublich einfühlsam und auf erstklassigem sprachlichen Niveau. Er mag nicht so blumig und poetisch schreiben, wie manch nordafrikanischer Autor, aber er berührt das Herz. Er lässt den Leser Leid, Trauer und Freude nachempfinden. Die Worte bieten Raum für eigene Interpretationen, sind aber gleichzeitig so wunderbar bildlich, dass man aus der fiktiven Welt nicht mehr auftauchen möchte. Gleichzeitig erfährt man viele Fakten über die Geschichte des Landes und über seine Bevölkerung. Nach der Lektüre kann man viele Dinge besser nachvollziehen und verstehen. Und irgendwie wünscht man sich nach der letzten Seite nur noch, dass man eines Tages erwacht und diese Kriege nur ein böser Traum waren. Man möchte das alte Afghanistan kennen lernen, typische Speisen zu sich nehmen, in den Trubel eintauchen und die Drachenläufer beobachten.

Fazit: Ein Buch, das mich sehr berührt hat und mir wohl noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

4 Kommentare:

  1. ich fand das buch auch total klasse und berührend!! das zweite buch vom autor hab ich auch schon auf'm SUB!

    lg*

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  2. Das habe ich leider in einem Moment voller Großzügigkeit meiner Mutter geschenkt.

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  3. Das ist eines meiner SUB-Bücher, die ich unbedingt und endlich dieses Jahr lesen möchte und deine Rezension gibt mir den richtigen Motivationsschub dafür. Danke :)

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  4. Das Nachfolgebuch soll noch besser sein!

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