Montag, 10. Januar 2011

Steve Stern, Der gefrorene Rabbi

Da das Buch heute erscheint, könnt ihr meine Rezension jetzt auch hier lesen :-)

- Das Bild ihres Vaters, der sie beschirmte, während ihm das Blut aus den Wunden strömte, prägte sich in Jochebeds Gehirn ein wie ein Sieglering in heißes Wachs, dann löste sich der Abdruck des Bildes, und das Wachs sickerte hinab in ihre Brust und Eingeweide. -

Bernie Karp ist ein durchschnittlicher amerikanischer Jugendlicher, der die meiste Zeit vor dem heimischen Fernseher verbringt und dabei ungesunde Dinge in sich hineinstopft. Eines Tages findet er in der Tiefkühltruhe seiner Eltern einen gefrorenen männlichen Körper. Als er darauf etwas verstört seinen Eltern von dem Fund berichtet, antworten diese sehr trocken und kühl, dass es sich um ein Familienerbstück handelt. Bernies Urgroßvater hat die Geschichte des Rabbis aufgeschrieben, doch die hebräische Schrift hindert Bernie daran das Rätsel zu entschlüsseln. Er fällt zurück in seine Lethargie und vergisst den gefrorenen Rabbi fast. Als er sich eines Tages alleine im Haus aufhält, bricht ein Gewitter über die Stadt herein und der Strom fällt aus. Ein mehrstündiger Stromausfall, als Folge des ungestümen Wetters, führt zum Auftauen des Rabbis. Erstaunlicher Weise erwacht der über hundert Jahre alte Mann und klopft an die Tür der Truhe. Die Begegnung zwischen Bernie und dem Rabbi verändert ihr jeweiliges Leben radikal. Zunächst gehen sie aufeinander zu und lernen voneinander. Doch dann scheint der Rabbi in der modernen Welt angekommen zu sein und entfernt sich von dem Jungen, der den alten Mysterien auf den Grund gehen will.
Parallel zu dieser Geschichte erfährt der Leser wie der Rabbi in die Familie kam. Dabei wird eine hundertjährige jüdische Familiengeschichte erzählt, die sich in Osteuropa, Amerika und Palästina abspielt. Der gefrorene Rabbi scheint Glücksbringer und Fluch zugleich zu sein. Er begleitet die jeweiligen Protagonisten auf ihrem Weg, spielt aber für die einzelnen Personen eine ganz unterschiedliche Rolle.

Steve Sterns Buch wurde mehrfach als meisterhaft bezeichnet und soll eine Gesellschaftssatire, Familienroman und Zeitreise sein. Grob betrachtet ist es das auch. Allerdings ist aus meiner Sicht die Komposition dieser drei Aspekte nicht durchgehend gelungen. Die ersten 150 Seiten ziehen sehr schleppend vor dem Leser hin. Es kommt kein richtiges Lesevergnügen und kein besonderes Interesse an dem Fortgehen der Geschichte auf. Jiddische Begriffe und Sätze werden nur selten erläutert oder können nur schwer in den Zusammenhang eingeordnet werden. Teilweise behindert dies sogar das gesamte Verständnis einzelner Passagen. Dann gibt es wieder Stellen, die durch eine sehr poetische Sprache geprägt sind und das lesen zu einem Genuss werden lassen. Doch leider sind dies meist nur gute Ansätze, die vom Autor nicht weiter verfolgt wurden.
Generell hatte ich den Eindruck, dass die historischen Passagen besser gelungen waren, als die Abschnitte, die sich mit Bernie Karp befassen. Zudem hat sich mir in den neuzeitlichen Kapiteln teilweise auch nicht der Sinn erschlossen und ich konnte das handeln der einzelnen Personen nicht nachvollziehen.
Nach 480 Seiten und einem sehr fragwürdigen Ende, lässt mich der Autor leicht verwirrt zurück.
Fazit: Für mich handelt es sich um einen sehr durchwachsenen Roman, der sehr gute tiefgründige Abschnitte mit einer wundervollen Sprache beinhaltet, dann aber wieder abflacht und sehr ermüdend ist.

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