Dienstag, 8. März 2011

Andrea Levy, Das lange Lied eines Lebens

- Geneigter Leser, ich muss dir eine Wahrheit zuflüstern. Komm, leg dein Ohr ganz dicht auf diese Seite. Beug dich noch ein bisschen näher herab. Denn es drängt mich, aufrichtig über das letzte Kapitel zu sprechen, das du gerade gelesen hast. Geneigter Leser, hörst du mich auch? -

Mehrere Jahrhunderte wurde die Geschichte Jamaikas durch die Britische Regierung beeinflusst. Seit dem 17. Jahrhundert gehörte die Karibikinsel als Kolonie zur Britischen Krone. Sie wurde mit ihren Nebeninseln erst 1962 als unabhängiger Staat anerkannt.
Nicht nur der Anbau von Zuckerrohr und der Sklavenhandel prägten im 19. Jahrhundert die Geschichte der Insel, sondern auch eine Vielzahl von Konflikten. Besonders nach der Abschaffung des Sklavenhandels, der nicht das System der Sklaverei in Frage stellen sollte, kam es auf Jamaika zu konfliktreichen Auseinandersetzungen und größeren Unruhen. Die wirkliche Befreiung der Arbeiter aus dem unwürdigen System der Sklaverei erfolgte allerdings erst gegen Ende der 1830er Jahre.
"Das lange Lied eines Lebens" ist ein Roman über eine Sklavin, die mehr als die Hälfte ihres Lebens auf einer Zuckerrohrplantage verbracht hat. Gezeugt wurde sie von einem weißen Aufseher, der seine Position auch dazu nutzte seine sexuellen Begierden zu stillen. Da ihre Mutter von dem Wohlwollen des Mannes abhängig war und auf den Feldern der Plantage arbeitete, gab sie sich ihrem Schicksal hin. Trotz dieser Umstände liebte sie ihre Tochter über alles.

Mehr möchte ich allerdings über die Geschichte nicht preisgeben. Nur so viel:
Im Zusammenspiel mit der Lebensgeschichte des kleinen Mädchens werden die Vorgänge auf der Insel bis zur Beendigung der Sklaverei beschrieben. Zudem geht die Autorin auch auf die Beziehungen zwischen den verschiedenen dort lebenden Personengruppen ein und schildert in einigen Fällen ihre Beweggründe.

Andrea Levy lässt die Hauptperson als Erzählerin auftreten, die von ihrem Sohn gebeten wurde all ihre jamaikanischen Geschichten aufzuschreiben, um der Welt mitteilen zu können, was in den ersten vier Jahrzehnten auf der Insel passierte. Dabei geht es nicht um große politische Zusammenhänge. Es wird eher eine Familiengeschichte erzählt, die durch die äußerlichen Umstände verschiedene Wendungen erfährt. Die Protagonistin versucht zunächst einfach die Geschichte von July erzählen. Doch relativ schnell wird klar, dass es sich um ihre eigene Geschichte handelt.
Die Autorin lässt sie schonungslos und in teilweise sehr grober Sprache berichten. Gleichzeitig wirkt die Erzählung aber auch sehr poetisch und in gewisser Weise blumig. Die Härte der Sklaverei wird schönen und alltäglichen Momenten gegenübergestellt. Dadurch entsteht ein Gegensatz, der das Leben der schwarzen Bevölkerung noch schrecklicher wirken lässt. Man fragt sich als Leser teilweise, ob man jetzt wirklich schmunzeln darf. Die Vermischung dieser zwei Sprachvarianten führt aber leider auch an manchen Stellen zu trägen Abschnitten. Man fühlt sich wie auf einer holprigen Straße, deren Ende schon in Sicht ist und sich doch scheinbar immer wieder entfernt.
Es lohnt sich jedoch den Text nicht zu schnell aufzugeben. Denn im Endeffekt handelt es sich um einen tiefgründigen und interessanten Roman, der nicht durch eine schnelle Handlungsfolge, sondern durch die nachvollziehbaren biographischen Wendungen besticht.
Zudem schafft es Andrea Levy wunderbar Bilder infrage zu stellen, die durch die ältere Geschichtsschreibung, aber auch durch künstlerische Werke entstanden sind.

Fazit: Ein empfehlenswerter Roman, für den der Leser jedoch ausreichend Zeit und Ruhe mitbringen sollte.


Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 368 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-421-04483-9
€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 30,90* (empf. VK-Preis) empfohlener Verkaufspreis


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1 Kommentar:

  1. das klingt wirklich klasse!!! Auch das Cover gefällt mir sehr gut...ich denke, wenn ich meinen SuB reduziere werde ich mir dieses schöne Buch zulegen! Danke für den Tipp

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