Freitag, 18. März 2011

Die Buchmesse und ich

An einem regnerischen Morgen stieg ich, noch recht verschlafen und mit einem Buch in der Hand, in die hiesige Straßenbahn. Mein Ziel war der Hauptbahnhof der nassen Hauptstadt, den ich noch nie leiden konnte. Wie kann man denn einen Hauptbahnhof mitten in die Walachei bauen? "Egal, heute kann mich nichts erschüttern" dachte ich bei mir, es geht ja schließlich zur Buchmesse. Auf dem kühlen Bahnsteig warteten schon Mitreisende, die genau wie ich nicht mit dem Pöbel in einem Waggon sitzen wollten. Nein, wir hatten Karten für die ZittyLeserlounge, in der auf der Hin- und Rückfahrt eine Lesung inszeniert wurde.
Am Morgen las Tube aus seinem Buch "Wenn ich Macht hätte".
Nach einem holprigen Einstieg wurde es noch richtig lustig. Zusammen mit dem (kostenlosen) Kaffee machte die Fahrt mich munter und aufgeregter. In Leipsch angekommen, ging es wieder durch den Regen in die Richtung des Fachbesucher-Eingangs.

Und hier begann mein erstes Grübeln. Fachbesucher, was soll das sein? Warum hatte ich eigentlich so eine Karte? Ganz einfach, in Leipzig fand eine integrierte Bildungsmesse statt und da ich als Beruf Lehrerin angegeben hatte, galt ich als Fachbesucher. Toll, die Eintrittskarte ist dreimal so groß und man bekommt noch ein schickes Bändchen dazu. Welch Freude. Mit der Bildungsmesse hatte ich jedoch nichts am Hut. Ich wollte mich bei den Verlagen einschleimen, nette Gespräche führen, Anette treffen und Lesungen genießen. Genau an diesem Punkt hätte ich über das nette Sprichwort mit dem Hochmut nachdenken sollen. Was will ich denn? Ich habe beruflich nur wenig mit Literatur zu tun, also abgesehen von Schulbüchern. Mein Blog ist jung und unverbraucht, aber auch (noch) klein. Steckt da vielleicht noch Potenzial drin? Werde ich jemals mehr als 120 Besucher an einem Tag haben? Was möchte ich eigentlich damit erreichen? Diese ganzen Fragen wurden immer größer und schwirrten um mich herum. Das Treffen mit Anette und ihrer Familie lenkte mich ab und machte verdammt viel Spaß. Danach machte ich mich aber alleine auf die Socken, die schon nach kurzer Zeit glühten. Mein Kopf rauchte und mein Mund war ganz trocken. "Guten Tag, ich möchte gerne wissen, ob sie auch mit Bloggern zusammenarbeiten oder deren Anfragen bzgl. Rezensionsxemplaren gleich ablehnen." Nach gefühlten 20 Anfragen und 50 Hallenwechseln, es gab übrigens nur vier Hallen, kam die Ernüchterung. Hinzu kam, dass ich die ausgestellten Bücher schon fast alle kannte. Es gab nur ganz wenige Werke, von denen ich noch nichts gehört hatte. Teilweise wurde für Werke geworben, die schon mehrere Monate im Umlauf sind. Nun bin ich mir nicht sicher, ob ich einfach schon zu tief in der Thematik drin bin und der "Normalbürger" nicht so informiert ist. Mmmhh. Mmmhh setzte ich sofort in ein Geräusch und ein Stichwort um: Essen. Nach einer Portion Sushi und einem Crepe wollte ich mir einige Lesungen anhören. Und wieder ging die Reise zwischen den Hallen los. Da ich, großzügig wie ich bin, Anette mein Programmheft gegegeben hatte, war ich orientierungslos. Keine der angebotenen Lesungen interessierte mich. Also setzte ich mich in die Lounge von MDR-Figaro und lauschte der Sendung zum Messebuchpreis. Und wieder kamen die Zweifel. Oh mein Gott, von Wolfgang herrndorf un seinem Buch "Tschick" hatte ich ja zumindest gehört, aber die anderen Nominierten? Gelesen hatte ich kein einziges Werk. Aber schließlich ist das ja auch nicht mein Job. Aber vielleicht sollte ich ja mal vom Mainstream weggehen und mehr anspruchsvolle Werke lesen. Notiz an mich: Weniger Schrott lesen, mehr auf Qualität achten :-) Und schon kam das nächste Fragezeichen. Was sagt denn schon ein Preis aus? Zsuzsa Bánk soll ein tolles Buch geschrieben haben, war jedoch noch nicht einmal nominiert. Gelesen habe ich es bisher auch nicht, es steht aber auf meiner Wunschliste. Gut, ein Interview mit ihr sollte es bei MDR-Figaro später noch geben. Sitzen bleiben war also das Motto. Zunächst war jedoch Dirk Kurbjuweit mit seinem Buch Kriegsbraut zu sehen und zu hören. Und wie es der Zufall will, handelt es ich dabei um ein Buch, dass ich sehr bald in den Händen halten werde.
In der Geschichte geht es um eine Soldatin, die nach Afghanistan geschickt wird. Dort verliebt sie sich in einen einheimischen Schulleiter. Mehr verrate ich noch nicht, da ich ja auch noch eine Rezension schreiben möchte. Das Gespräch war sehr aufschlussreich. Zunächst erzählte der Autor was ihn zu der Themenwahl bewogen hat. Er beschrieb ein Erlebnis in Afghanistan. Er beobachtete eine junge Soldatin, die sich morgens immer schminkte und anschließend das Gewehr schulterte und ihre Dienstpflichten erfüllte. Zurück in Deutschland sprach er, unter größter Geheimhaltung, mit einigen Frauen, die in Afghanistan stationiert waren. Aus den Interviews, den Gedanken und Zweifeln der Frauen, entstand die Geschichte, welche auch die Frage nach der Schuld stellt. Wie hoch ist unsere eigene Schuld in solch einer "Intervention" und wie hoch ist unsere Schuld, wenn wir nicht eingreifen? Für mich hörte sich das alles sehr interessant an und ich freue mich schon auf das Buch. 
Direkt danach fand ein Gespräch mit Alfred Grosser statt. Ein wunderbarer Mensch, mit dem man wahrscheinlich mehrere Tage ununterbrochen philosophieren könnte. 
Und dann kam sie endlich, Zsuzsa Bank. Sie erfüllte den Raum mit ihrem Lächeln, faszinierte mit ihrer wunderbaren Lesestimme und machte Lust auf das Buch. Wer es noch nicht kennt, aber eine Rezension lesen möchte, sollte sich auf der Seite der Klappentexterin umsehen. Sie hat die Gefühle, welche auch während des Interviews bei mir entstanden, wunderbar eingefangen.
Abschließend lauschte ich noch einem Gespräch mit Andreas Weber und einem Interview mit Barbara Conrad, die für ihre Neuübersetzung von Krieg und Frieden den Übersetzerpreis der Buchmesse erhielt.
Dann hieß es auch schon wieder Abschied nehmen. Schnell noch zur Toilette, wo man jetzt endlich nicht mehr anstehen musste, und dann schnell zur Garderobe, wo man jetzt wieder anstehen musste.
Im Zug gab es dann leider keinen Kaffee, der mein Grübeln verscheucht hätte, aber eine Lesung von Mia Ming. Seitensprünge 2 scheint ein verdammt witziges und frisches Buch zu sein. Weder die Autorin, noch das Cover oder der Klappentext hätten mich zum Lesen angeregt. Aber nach den Kostproben will ich nur noch eins: MEHR! Aber vielleicht fange ich lieber mit "Schlechter Sex" Band 1-3 an? 
Jut, wieder im kalten und nassen Berlin, hörte mein Kopf nicht auf zu arbeiten.

Heute hat er sich schon ein wenig entspannt und ich sehe die Situation etwas klarer. Das nächste Mal höre ich mir nur Lesungen an und treffe mich nur nach Verabredung. Leipzig und ich, das konnte nicht gut gehen. Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen voneinander. Ich war noch zu unerfahren und Leipzig vielleicht schon zu eingefahren. Wir arbeiten aber an unserer Beziehung und hoffen, dass es im nächsten Jahr besser läuft. 
Jetzt bin ich nur gespannt wie es in Frankfurt so ist. Was natürlich voraussetzt, dass ich es auch dorthin schaffen muss. I hope so.

18 Kommentare:

  1. Hmm, ich war noch nie auf einer Buchmesse und hatte bisher auch kein allzu großes Verlangen danach. Eigentlich interessieren mich daran nur die Lesungen (je nach Autor). Alles andere (Neuerscheinungen, Verlagskontakte, bummeln...) kann ich auch von zuhause aus.
    Ich frage mich nun (auch nach deinem Beitrag): Was ist eigentlich so besonders an Buchmessen? Kann mir das jemand erklären?

    AntwortenLöschen
  2. Also für Buchhändler und Menschen, die aus unerfindlichen Gründen Tüten und Prospekte sammeln, ist es bestimmt ganz toll :-)

    AntwortenLöschen
  3. Meine letzte Buchmesse ist schon ewig her und ich hätte noch mal große Lust, eine zu besuchen. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, welche Erwartungshaltung ich so hätte. Ich denke, ich würde mich als kleines Sternchen am Bücherhimmel fühlen, welches am liebsten nicht auffallen mag. ;)
    Lesungen sind ja eigentlich nicht so mein Ding, obwohl so mancher Name schon lockt. :)

    AntwortenLöschen
  4. Hallo Charlene!
    Na das hört sich ja nicht wirklich prickelnd an - und ich frage mich, warum der Hype auf die Leipziger Buchmesse so groß ist. So viele hatten sich tierisch darauf gefreut. Eigentlich hatten Olli und ich vor die Frankfurter Buchmesse zu besuchen. Während der Letzten, war es allerdings viel bequemer die ZDF Mediathek zu öffnen und sich die Lesungen in aller Ruhe anzusehen. Nachdem ich von mehreren Leseratten hörte, wie lange man für ein Autogramm anstehen musste und sich sehr man sich die Hacken wund gerannt hatte, verflog mein Vorhaben. Im Gegensatz zur Leipziger Buchmesse gab es über "DAS ROTE SOFA" viel NEUES zu entdecken. Einige Bücher gammeln immer noch auf meiner Wunschliste herum. Was die Auswahl des Lesestoffs angeht, so lege ich mich nie fest. Ich liebe die Abwechslung! Oftmals verleiten mich Titel und Cover wenn ich in meiner Lieblingsbuchhandlung herum trolle. Oft sind es aber auch die Eindrücke Anderer. Die Rezension bei unser lieben Klappentexterin habe ich natürlich gelesen (ich darf nicht zu oft bei ihr verweilen). "Die hellen Tage" von Zsuzsa Bánk scheint wirklich schön aber ebenso sehr anspruchsvoll zu sein. Woran legt man Qualität fest? Eine Frage, die ganz gewiss unterschiedlich ausfallen würde. Ich glaube das ist Geschmacksache! Für mich wird ein Buch zu einem Horrorerlebnis, wenn mich Druckfehler beginnen zu erdrücken und wenn mir Schreib- und Sprachstil nicht zusagen. Naja! Bleibt zu hoffen, dass das Wetter wieder besser wird- aber zumindest hattest du auch ein paar schöne Momente.

    Danke für deinen ausführlichen Bericht und liebe Grüße aus Hamburg.

    AntwortenLöschen
  5. He, ich würde mich freuen wenn du in Frankfurt zur Buchmesse kommst.
    Toller Bericht :-)

    AntwortenLöschen
  6. Willkommen zurück :-)

    Dein Bericht war sehr interessant zu lesen, danke dafür!

    Ich selbst war noch nie auf einer Buchmesse ... ein Besuch reizt mich auch nicht sooo sehr.

    AntwortenLöschen
  7. Ui, danke für die vielen Kommentare!
    Für mich lag auch das Problem darin alleine zusein. ich möchte mich über Dinge, die in einer Lesung vorkamen austauschen. Aber das hatte ich ja selbst "verschuldet". Zudem habe ich festgestellt, dass es mir eigentlich mehr oder minder egal ist, ob ich den Autor wirklich live sehe. Daher sollte ich mir wirklich mal, so wie es Tanja sagt, die ZDF Mediathek anschauen. Letztendlich muss man auch sagen, dass die Frankfurter Buchmesse einfach für die Verlage wichtiger ist. Daher gibt es im Umfeld von FfM immer sehr viele Neuerscheinungen.
    Ich versuche auf jeden Fall nach Frankfurt zu fahren und kann dann anschließend noch einmal beide Veranstaltungen vergleichen.
    Anette hatte auch die Idee einfach einen Berlin-Besuch zu machen und dann für einen Tag mit dem Interconnex nach Leipzig zu fahren. Die Fhart dauert nämlich nur eine Stunde. Vielleicht kann man das noch einmal für das Projekt "Bücherreise Berlin" ins Auge fassen.

    AntwortenLöschen
  8. Ein toller Bericht, Charlene. Danke dafür.
    Ich war noch nie in Leipzig, dafür aber in Frankfurt. Ich muss sagen, mich hat Frankfurt beeindruckt. Vor allem deswegen, weil es ein grosses Branchentreffen ist. Ich, als Buchhändlerin, habe es sehr geschätzt, dort sein zu dürfen. Deswegen steht meine Entscheidung fest, dieses Jahr im Oktober auf die Buchmesse zu fahren. Es wäre schön, wenn wir uns dort treffen würden. Ich werde allerdings an den Fachbesuchertagen dort sein. Voraussichtlich Fr und Sa.
    Viele Grüsse
    Dorota

    AntwortenLöschen
  9. Ui Dorota, ich bin auch an den Fachbesuchertagen dort. Dich würde ich auch gerne einmal live treffen :-)

    AntwortenLöschen
  10. Und da ich auch ein Fachbesucher-Ticket bekommen kann, sollten wir schon einmal den Freitag festhalten, oder?

    AntwortenLöschen
  11. Es fängt schon sehr spannend an, meine Damen.
    Ich bin gespannt, was sich alles noch bis Oktober ergibt.
    Ich fange schon an, mich zu freuen :-)

    AntwortenLöschen
  12. Die Frage, ob ich je mehr als 120 Besucher am Tag haben werde, kann ich mit ja beantworten. Gestern waren es 162.

    AntwortenLöschen
  13. Es könnte übrigens sein, dass ich dieses Jahr beruflich auf der Buchmesse in Frankfurt bin. Das weiß ich aber noch nicht, doch ich kann ja mal Bescheid geben, wenn es wirklich so sein sollte. :)

    AntwortenLöschen
  14. Es wäre schön, Ada, Dich auch dort zu treffen!

    Wann fängst Du denn an zu arbeiten?

    AntwortenLöschen
  15. Liebe Charlene,

    du sagst es: Unsere Eindrücke sind deckungsgleich. Auf Frankfurt habe ich aber im Gegensatz zu dir vorerst keinen Appetit... wenngleich das Bloggerdamentreffen sehr verführerisch klingt.

    Viele Grüße
    Klappentexterin

    AntwortenLöschen
  16. Danke für den unterhaltsamen Bericht! Wenn man mehrere Tage Zeit hat und keine weite Anreise in Kauf nehmen muss, ist so ein Besuch wahrscheinlich entspannter. So will man ja doch viel mitnehmen und erreicht damit vielleicht gerade das Gegenteil. Die Begegnung mit den Autoren schien Dir ja viel Spaß gemacht zu haben.

    AntwortenLöschen
  17. @Ada Ja, ja, ja!!1
    @wortlandschaften Ja, die Interviews aus der Nähe zu begleiten war toll. Aber das lag auch an den guten Fragen und Nachfragen der Moderatoren. Wenn eine Frage ausweichend beantwortet wurde, haben sie noch einmal nachgebohrt :-)

    AntwortenLöschen
  18. @Bibliophilin: Am 1. August. Im Vorjahr waren meine zukünftigen Mitarbeiter auf der Buchmesse, um das Berufsfeld vorzustellen. Ich weiß nicht, ob sie das noch mal wiederholen, doch wenn, dann könnte es sein, dass ich dieses oder nächstes Jahr dabei bin. Im Herbst werde ich bestimmt genaueres wissen.

    AntwortenLöschen