Dienstag, 10. Mai 2011

Elia Barceló, Das Geheimnis des Goldschmieds


-       Es waren die einzigen drei Monate, in denen ich wirklich gelebt habe, denn die ganz übrige Zeit davor und danach habe ich gedämpft, reduziert gelebt, als hätte man bei einem Film die Lautstärke so weit hinuntergedreht, dass man nur noch Flüstern hörte, während die Farben sich so weit verflüchtigten, dass alles sepiabraun und schließlich schwarzweiß war. –



Manchmal sind es die kleinen Bücher, die einen faszinieren. Die schmalen Bände setzen sich mit ihren wenigen Seiten wie ein leichter Schmetterling auf die Schulter des Lesers. Doch kaum hat sich dieses unscheinbare Tier gesetzt, erkennt man seine eigentliche Schönheit. Er beginnt zu strahlen und zeigt dem Betrachter die schönsten Farben der Natur und zieht ihn in seinen Bann. Genau solch eine Überraschung und Freude habe ich beim Lesen des kurzen Romans von Elia Barceló empfunden.

Auf weniger als hundert Seiten wird die Geschichte eines erfolgreichen Schmuckdesigners erzählt, der sich mit noch nicht einmal 20 Jahren in eine doppelt so alte Frau verliebte, die ihm zeigte was es bedeutet zu leben. Obwohl ihre Beziehung nicht lange hielt, trauert er ihr noch fast dreißig Jahre nach. Als er es endlich wagt Italien zu verlassen und nach Amerika auszuwandern, kehrt er noch ein letztes Mal in seine Geburtsstadt zurück und besichtigt die Orte, an denen er mit ihr glücklich war. Als er morgens in seinem Hotelzimmer erwacht, findet er sich in den 50er Jahren wieder. Er lernt seine erfahrene Freundin noch einmal neu kennen. Diesmal ist er Mitte vierzig und sie zwanzig.
Alte und neue Geschichten verbinden sich, Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen. Kann er sie noch einmal für sich gewinnen? Kann er endgültig mit ihr glücklich werden.

Zunächst denkt man, dass die Informationsdichte den Roman fast überquellen lässt. Eigentlich müsste die Geschichte brüllen und verlangen auf ungefähr 500 Seiten erzählt zu werden. Aber Barceló schafft es durch ihre poetische Sprache und liebevolle Zuneigung den Protagonisten gegenüber, selbst auf so engem Raum alles zu sagen, was gesagt werden muss. Und eigentlich schafft sie noch viel mehr. Sie regt zum Nachdenken an, lässt den Leser das eigene Leben und die getroffenen Entscheidungen reflektieren. Nach dem Lesen hat man das Gefühl einen duftenden Liebesbrief beendet zu haben, der nur aus einem Satz bestand: Halte dein Glück fest.

Fazit: Ein wunderschönes und liebliches, aber keineswegs kitschiges Buch, das mehr als empfehlenswert ist. 



Taschenbuch: 92 SeitenVerlag: Piper Taschenbuch; Auflage: 3 (Dezember 2005)
ISBN-10: 9783492245807ISBN-13: 978-3492245807


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2 Kommentare:

  1. Liebe Charlene,

    in deiner Rezension steckt ganz viel Liebe drin, die nach draußen strahlt und selbst eine Nichtleserin dieser Autorin mitreißt.

    Leider bin ich mit Elia Barceló nie ganz warm geworden. Nach etlichen Versuchen, in das hochgelobte Buch "Das Rätsel der Masken" hineinzukommen, habe ich es irgendwann aufgegeben. Mich freut es dafür um so mehr, wenn die Autorin ihre eigene, besondere Leserschaft hat.


    Liebe Grüße

    Klappentexterin

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  2. Liebe Klappentexterin,
    danke für deinen schönen Kommentar.
    Ja, es ist schon eine ganz besondere Erzählweise. Gespannt bin ich auf ihren aktuellen Roman, der sich noch auf meinem SuB befindet.

    Ich bin mir dafür noch immer nicht sicher, was ich von "Thaddeus und der Februar" halten soll. Ein komisches Buch.

    Herzlichste Grüße,
    Charlene

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