- Still, ein jüdisches Kind darf nicht auffallen. -
Helene und Hannelore leben gemeinsam mit ihrer Mutter, die den Unterhalt der Familie mithilfe von Näharbeiten sichert, in Leipzig. Der Vater ist schon vor einigen Jahren gestorben und Hannelore kann sich schon gar nicht mehr recht an ihn erinnern.
Als die Nationalsozialisten an die Macht gelangen, wird die Situation für die drei Frauen immer schlechter. Als der Bund (ein Zusammen- schluss verschiedener jüdischer Jugendbünde) daher den Vorschlag macht, Helene auf eine Ausreise nach Palästina vorzubereiten, stimmt ihre Mutter schweren Herzens zu. Und tatsächlich gelingt ihr der Plan und sie kann ein neues Leben beginnen. Auch Hannelore bereitet sich auf eine Übersiedlung vor und lernt in verschiedenen Einrichtungen wichtige Fertigkeiten, die sie für ihr Leben in einem Kibbutz gebrauchen kann. Als sie gerade mit anderen Mädchen auf einem Feld arbeitet, erhält sie die Nachricht, dass sie zu den Auserwählten zählt, die Deutschland verlassen können. Allerdings geht es nicht in das erhoffte Land, sondern zunächst nach Dänemark. Ihre Mutter stimmt auch hier widerwillig zu. Hannelore überlegt sogar ihrer Mutter zuliebe in Leipzig zu bleiben. Die Vernunft siegt aber und sie begibt sich schon einen Tag später zum Bahnhof, wo sich gelichzeitig mehrere Mädchen von ihren Familien verabschieden müssen. Gemeinsam bilden sie von nun an eine Schicksals- gemeinschaft und durchleben zusammen die schwersten Jahre ihres noch so jungen Lebens. Dabei gehen Hannelore, die von nun an Hanna heißt, immer wieder zwei Sätze durch den Kopf: "Still, ein jüdisches Kind darf nicht auffallen!" und "Aufgeben gilt nicht!"
Diese Aussagen oder besser Aufforderungen werden zu ihren Lebensprämissen und beeinflussen ihr Handeln, ganz egal wo sie sich befindet.
Bisher gab es für mich nur einen wirklich guten Jugendbuchautor, der wunderbar über historische Themen schreiben kann: Klaus Kordon. Doch nachdem ich nun Mirjam Pressler kennen gelernt habe, muss ich mein Urteil revidieren. Sie erzählt mit "Ein Buch für Hanna" eine wunderbare Geschichte, die von einer jungen Jüdin und ihrem Leben im Nationalsozialismus handelt. Dieses Thema wurde schon in zahlreichen Jugendbüchern behandelt und der Plot ist dabei häufig sehr ähnlich. Nicht so in diesem Werk. Die Geschichte ist völlig anders. Sie ist ruhig, mit wenigen kritischen Momenten und doch sitzt das Grauen immer hinter den eigentlichen Wörtern. Man spürt schon fast den Atem einer anderen Person im Nacken, die den Leser beobachtet, aber nicht aus ihrer Deckung tritt. Die Angst ist allgegenwärtig und trotzdem sind die Handlungen der Protagonisten meist alltäglich. Es muss erst wieder in das Bewusstsein gebracht werden wie das Leben aussehen könnte und was Hanna alles nicht machen kann. Sie erträgt ihr Schicksal mit so viel Kraft und Mut, dass man sie nur bewundern kann. Gleichzeitig hält sie sich aber für ein kleines graues Mäuschen, das nur nicht auffallen will. Ihr ist gar nicht klar was für eine Leistung sie vollbringt.
Genauso ruhig wie die Handlung meist verläuft, ist auch die Sprache der Autorin. Man fühlt sich sanft gestreichelt von den Wörtern und tief berührt. Jedes Kapitel steckt voller unterschwelliger Weisheiten und wenn sich einzelne Figuren in einer Art Brief zu Wort melden, werden die Sätze noch gefühlvoller und schmerzlicher. Das vergießen von Tränen lässt sich beim Lesen nicht verhindern und zeigt wie tief die Geschichte in die eigene Seele eindringt.
Ich habe mit Hanna gelitten, geweint, gelacht und gezittert. Und nach den gemeinsamen Stunden kann ich nur sagen: Dieses Buch muss man lesen!
ISBN 978-3-407-81079-3
1. Auflage 2011. 352 Seiten.
Gebunden im Schutzumschlag.
Mirjam Pressler gehört zu meinen liebsten Jugendbuchautorinnen. Es freut mich, wenn sie immer wieder neue Leser dazu gewinnt. Eben jene Feinfühligkeit schätze ich an ihr. Mein liebstes Buch ist übrigens "Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen." Das ist übrigens eine andere Thematik, die sie wunderbar beherrscht: Über Kinder zu schreiben, die Außenseiter sind und über sich hinaus wachsen.
AntwortenLöschenViele Grüße
Klappentexterin
Na, da habe ich ja gleich wieder etwas für die Wunschliste oder Tauschticket. Danke :-)
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